Der Köder
«Nur noch so ein Nazi, wie all die
anderen auch. Und weißt du, was als Nächstes passierte?»
Marty starrte ihn an und schüttelte wie benommen den Kopf.
«Na ja, Marty, mein Alter, als Rose fertig war, reichte sie mir die Waffe.»
KAPITEL 38
Jeff Montgomery schwitzte unter der schwarzen Regenjacke, die er
über dunklen Jeans trug. Es war unbequem, aber notwendig. Bevor
die Nacht vorüber war, würde die Kaltfront mit Wucht auf die heiße Luftmasse stoßen, ein Sturm losheulen, die Temperatur um
mindestens zehn Grad fallen, und es würde in Strömen regnen. Jeder kluge Minnesota-Junge wusste, wann es Zeit war, eine Regenjacke
zu tragen.
Er persönlich wünschte sich, dass die Kaltfront vorankam. Der
heißeste April seit Menschengedenken, sagten die Leute. Obwohl
ihm die Hitze selbst nichts ausmachte, litten doch die Pflanzen, die kühleres Wetter mochten. Zudem endete eine Hitzewelle dieser Art
oft mit einem Hagelschauer, und daran mochte er überhaupt nicht
denken. Es war schon schlimm genug, morgen zur Arbeit zu
kommen und mit dem Schlamm fertig zu werden; der Gedanke an
Hagelschäden bei den zarten jungen Pflanzen bereitete ihm fast
Magenschmerzen.
Es war schon komisch, dachte er – dass er sich um Pflanzen
Sorgen machte, wo er noch vor wenigen Monaten eine Vogelmiere
nicht von einer Hortensie hätte unterscheiden können. Technische
Wissenschaften hatte das Studienziel geheißen. Sein Vater hatte es ihm sein Leben lang eingetrichtert. Aber dann waren seine Eltern
gestorben und mit ihnen der Traum vom College im Osten. Er hatte
ein paar Kurse an der University of Minnesota belegt und
angefangen, für Morey und Lily Gilbert zu arbeiten.
Mrs. Gilbert hatte ihm mehr über Pflanzen beigebracht, als er an
der Uni über andere Dinge gelernt hatte. Schnell stellte er fest, dass er Neigung und Talent dazu hatte, und bevor er so recht wusste, wie ihm geschah, war er süchtig danach.
Er liebte es, mit Erde zu arbeiten, sie in den kleinen Röhrchen auf Nährsubstanzgehalt zu prüfen, zu entscheiden, welche Zusätze in
welcher Menge für welche Sämlinge nötig waren, die er zum
Keimen bringen wollte. Er nahm an, dass sich bei dieser Arbeit sein technisches Talent bemerkbar machte. Aber er liebte es auch, die
Erde in seinen Händen und unter seinen Fingernägeln zu spüren, den Morgentau in einer Tulpenblüte zu sehen und zu beobachten, wie an den Black-Mountain-Fichten, die er mit seinem eigenen Messer
sauber zurückgeschnitten hatte, neue Triebe sprossen. Wenn ihm
nach getaner Arbeit ein Wunsch gewährt worden wäre, hätte er sich entschieden, für immer in dieser Gärtnerei zu arbeiten, von Mrs.
Gilbert zu lernen und sich eventuell in das Geschäft einzukaufen, wenn er etwas Geld aufbringen konnte.
Komisch, wie die Dinge sich fügten, wie das Entsetzen und der
Schock über den Tod seiner Eltern ihn unwissentlich an den Ort und zu dem Leben geführt hatten, für das er bestimmt war.
Die Straßen um die Gärtnerei waren jetzt absolut leer. Die Leute
in der Nachbarschaft saßen wahrscheinlich wie gebannt vor ihren
Fernsehern, warteten auf Tornados und darauf, dass die aufgeregten Meteorologen ihnen sagten, wann sie Schutz suchen sollten. Alle
außer ihm natürlich. Er konnte es sich nicht leisten, vor dem
bisschen schlechten Wetter Reißaus zu nehmen, denn er befand sich auf einer Mission, und manchmal waren Missionen sehr gefährlich.
Er hatte den Block um die Gärtnerei bereits dreimal umrundet
und alles so vorgefunden, wie es sein sollte. Keine bewaffneten
Gestalten, die in den Büschen kauerten, der einzelne Streifenwagen, der am Nachmittag vorgefahren war, weiterhin auf seinem
ursprünglichen Parkplatz und, am allerwichtigsten, Mrs. Gilbert noch immer sicher im Haus.
Ein fernes Donnergrollen ließ ihn leicht zusammenzucken, und er
verbarg ein nervöses Kichern hinter vorgehaltener Hand. Der
Himmel wurde von Minute zu Minute schwärzer, und im Westen
zuckten Blitzgespinste von Wolke zu Wolke, gefolgt von
bedrohlichem Donnern, und luden die Luft mit elektrischer
Spannung auf. Mein Gott, was für ein Spaß. Der sanftmütige und
stille Jeff Montgomery schlich umher, obwohl es fast dunkel war,
spähte um sich und durchbohrte mit seinen Blicken noch die
finstersten Schatten, genoss den Kitzel möglicher Gefahr.
Als er die Hecke der Gärtnerei erreicht hatte, drückte er sich an das Blattwerk und bewegte sich langsam und verstohlen, Zentimeter für Zentimeter, an dem
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