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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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hast du gesagt?»
    Jack sah ihn über den Rand seines Glases an. «Ich habe ihm
    gesagt, dass ich nicht mehr sein Sohn sein wollte und auch kein Jude mehr. Dann habe ich dafür gesorgt, dass ich es nicht mehr war.»
    Marty nickte, denn er erinnerte sich an das Konfirmationsfoto
    und das Hochzeitsfoto und auch daran, dass Jack von einem Tag auf den anderen der Familie fern geblieben war. Jetzt verstand er die provozierenden Handlungen, die Lily als Schläge ins Gesicht
    bezeichnet hatte. «Du hättest mit Lily darüber sprechen sollen,
    Jack.»
    Jack grinste und trank gleichzeitig. «Zweischneidiges Schwert,
    diese Sache. Dreischneidig sogar. Ich wusste doch nicht, ob sie auch mit drinsteckte…»
    «Mein Gott, Jack, wie konntest du das nur denken?»
    Jack starrte ihn ungläubig an. «Mann, Marty, ich hätte es mir
    auch niemals von meinem Vater vorstellen können, und du siehst ja, was zum Vorschein gekommen ist. Ich habe nie wirklich geglaubt,
    dass Ma so etwas hätte tun können, aber ich habe mich gefragt: Wie lebt man mehr als fünfzig Jahre mit einem Menschen zusammen und
    bekommt nicht mit, dass so etwas vor sich geht? Und ob sie nun
    mitgemacht hat oder nur davon wusste…» Er zuckte unschlüssig die
    Achseln. «Ich konnte mich dem nicht stellen. Ich wollte nichts davon wissen. Und wenn sie wie durch ein Wunder über die Jahre
    erfolgreich von ihm genarrt worden war wie ich auch, dann würde
    ich einen Teufel tun und ihr das Herz brechen, indem ich ihr die
    Wahrheit sagte. Also hielt ich mich von beiden fern und sagte nichts.
    Gleichzeitig fragte ich mich ständig, ob Pop weiterhin Menschen
    umbrachte, während ich dasaß, nichts tat und mir dämliche Sprüche einfallen ließ wie: ‹Ach komm, Jack, mach dir keine Gedanken, das sind doch nur Nazis, die es nicht anders verdient haben.› Ich habe überlegt, ob ich damit leben könnte, meinen eigenen Vater
    anzuzeigen und dadurch das Leben meiner Mutter zu zerstören, oder ob ich damit leben könnte, es nicht zu tun… Verdammt.» Er holte
    Luft, und dann trank er. «Ich kann dir aber sagen – der Alkohol hat geholfen.»
    Auf der anderen Seite der verriegelten Tür, die zum
    Eintopfschuppen führte, lehnte sich Lily gegen das splitternde Holz und hörte zu, die Augen geschlossen, das Gesicht vor Kummer
    verzerrt. «Sei verflucht, Morey Gilbert», flüsterte sie, drehte sich um und ging weg.
    «Du hättest zu Hannah und mir kommen sollen», sagte Marty.
    «Soll das ein Witz sein? Ich hätte niemals in Hannahs Nähe
    kommen dürfen, denn sie hätte es in Sekundenschnelle aus mir
    herausgeholt, das weißt du auch. Und es hätte sie umgebracht,
    Marty, das über ihren Vater herauszufinden. Sie hat den Mann doch angebetet.»
    «Fast so sehr wie du», sagte Marty. Lehnte sich auf dem Stuhl
    zurück und betrachtete Jack, den Säufer, den Schmock, das
    rücksichtslose, verantwortungslose schwarze Schaf, den Mann, der
    alles geopfert hatte, um die Menschen zu schonen, die er liebte.
    Innerlich weinte Marty um ihn und konnte sich nur mit Mühe darauf konzentrieren, was er noch erfahren musste. «Du hast gesagt, der
    Mörder sei fertig bis auf dich, Jack. Woher weißt du das?»
    «Ach ja, das. Ich hatte den Verdacht, war mir aber nicht völlig
    sicher, bis der Typ auf mich geschossen hat. Pop und die anderen
    haben viele Leute umgebracht – darauf war er ziemlich stolz –, aber ich war nur einmal mit dabei.»
    «Im Anglerheim in Brainerd.»
    «Richtig. Hinter dem Empfangstresen war oben ein großer
    Speicher. Ich weiß noch, dass Pop mich am Arm hinauszerrte, dass
    mich alle anschrien und ich nach oben sah und einen Schatten
    bemerkte, der sich hinter einem der großen hölzernen Pfosten
    bewegte. Jemand hat uns gesehen, Marty, und wie man so schön
    sagt: Was immer du tust, es fällt auf dich zurück.»
    Marty schloss kurz die Augen und konzentrierte sich darauf,
    seine Gefühle abzublocken, so wie er es im Dienst getan hatte.
    Später, wenn der Mörder gefasst und Jack in Sicherheit war, würde er die Erinnerung an all das hervorholen, was er heute Abend
    erfahren hatte, und sich zugestehen, darauf zu reagieren. Aber jetzt waren Gefühle ein Luxus, den er sich nicht erlauben konnte. Es
    überraschte ihn ein wenig, dass es ihm so schnell und so gut gelang.
    Vielleicht hatte Jack auch darin Recht gehabt. Einmal Polizist,
    immer Polizist.
    «Okay, Jack, ich sage dir, was wir machen.» Er zog sein Handy
    aus der Tasche und suchte im Verzeichnis nach Gino

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