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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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ihr nicht die
    Wahrheit sagen. Es war grauenhaft langweilig. Ich hasse Waffen.
    Aber ich war ein dummer kleiner Junge. Solange ich mit Pop
    zusammen war, fand ich es toll.» Er nahm wieder sein Glas zur Hand und lehnte sich in die Kissen zurück. Er trank einen großen Schluck und lächelte. «Ich bin ein wirklich guter Schütze, Marty. Aber nicht zu vergleichen mit Pop.»
    Marty musterte Jacks weiße Beine, die aus den Shorts ragten, den
    kleinen Schmerbauch, die von der Sonne verbrannten
    Geheimratsecken über der Stirn. Während die Vorstellung von Jack
    als einem guten Schützen ihm höllische Angst machte, war das Bild einer Waffe in der liebevollen und sanften Hand seines
    Schwiegervaters vollkommen abwegig. «Läuft das auf irgendwas
    hinaus, Jack?»
    «Aber sicher.» Sein Kopf pendelte ein wenig, als Jack versuchte,
    sich auf Marty zu konzentrieren. «Du möchtest wissen, wer Pop
    hätte umbringen wollen, stimmt's? Denn er war doch so ein
    großartiger Kerl, liebte alle und wurde von allen geliebt… Scheiße.
    Marty. Ich habe die letzten Jahre damit verbracht, mein Leben zu
    zerstören, damit ich niemandem etwas erzählen musste, und jetzt
    verlangst du von mir, dass ich es einfach ausspucke.»
    Marty hörte in der Ferne ein Donnergrollen. «Was immer es ist,
    die Polizisten werden es sich am Ende doch zusammenreimen.»
    Jack kicherte. «Diese Komiker werden es nie im Leben
    rauskriegen, und wenn doch, würden sie es ohnehin nicht glauben.»
    «Was rauskriegen?»
    Jack bemühte sich, nachzudenken und gleichzeitig Marty nicht
    aus dem Blick zu verlieren. Fast hätte ihn das überfordert. «Dass jemand ihnen auf die Schliche gekommen ist. Nur waren es nicht die Polizisten. Aber man kann mit so einer Sache nicht ewig
    davonkommen, ohne jemanden stinksauer zu machen, stimmt's?»
    «Mit was für einer Sache?»
    «Verdammt, Marty, nun denk doch mal mit, bitte! Leute
    umzubringen natürlich. Ich würde mal denken, zwei im Jahr und das über einen langen Zeitraum.»
    Marty zuckte mit keiner Wimper. «Du erzählst Scheiße, Jack.»
    Jack nickte, bei seinem Zustand eine gefährliche Bewegung.
    «Okay. Das tu ich oft genug. Aber diesmal nicht. Diesmal geht es
    um Tatsachen.» Er beugte sich nach vorn, um die Flasche Balvenie
    vom Fußboden aufzuheben, und füllte sein Glas randvoll. Als der
    Donnerschlag ganz in der Nähe ertönte, verschüttete er ein wenig.
    «Ungefähr sechs Monate vor Hannahs Tod hat mich Pop an einem
    Wochenende mit rauf nach Brainerd genommen – sagte, er würde
    mit mir angeln gehen, damit ich mal 'ne Weile aus dem Büro
    rauskomme. Als wir bei diesem großen alten Anglerheim ankamen,
    fuhren noch zwei andere Autos vor, und Ben Schuler stieg aus dem
    einen und Rose Kleber aus dem anderen.»
    Martys Augenbrauen hoben sich fragend. «Also kanntest du sie
    doch.»
    «Habe sie da zum ersten und auch zum letzten Mal gesehen.
    Süße, kleine, alte, weißhaarige Lady in einem Kleid mit lila Blumen und dazu so große klobige Schuhe, und ich habe mich gefragt, was
    zum Teufel sie da zu suchen hatte, beim Angeln mit zwei so alten
    Knaben wie Pop und Ben. Habe ihren Namen damals nicht erfahren,
    und Pop nannte sie nur eine Freundin. Wir gehen also ins Haus, und ich denke mir, vielleicht zum Einchecken oder so. Weil aber am See irgendein Wettangeln läuft, ist niemand zu sehen bis auf diesen alten Knilch am Anmeldetresen, und was dann passiert, ist, dass Pop eine Waffe aus seiner Jacketttasche zieht, über den Tresen langt und dem Kerl eine Kugel in den Kopf schießt.» Er schloss die Augen und
    atmete einen Augenblick, während Martys Unterkiefer nach unten
    fiel und sein Herz hämmerte, als wollte es seinen Brustkorb
    sprengen. «Kann sein, dass ich geschrien habe, aber ich kann mich nicht erinnern. Als Nächstes kriege ich mit, dass Pop die Waffe an Ben weiterreicht, und der alte Mistkerl geht um den Tresen herum
    und schießt auf den Alten, der auf dem Boden liegt. Dann reicht er die Waffe an unsere süße kleine Oma, und die verpasst ihm ganz
    eiskalt auch noch ein paar Kugeln. Blut und anderes Zeug spritzt ihr übers Kleid und diese schwarzen Schuhe. Komisch, an was man sich
    erinnert, oder?» Traurig und irgendwie gequält lächelte er Marty an.
    Plötzlich war Martys Kehle knochentrocken, und einen
    Augenblick lang staunte er darüber und wunderte sich auch, dass
    seine Stimme brach, als er schließlich fragte: «Wer war er? Wer war der Mann, den sie erschossen haben?»
    Jack zuckte die Achseln.

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