Der Köder
gemusterter rosa
Kopfhaut lassen konnte.
«Berman und ich sind gerade damit fertig, im gesamten Block
von Tür zu Tür zu gehen. Wir müssen noch mal wiederkommen und
ein paar Leute befragen, die nicht da waren, aber die meisten waren daheim. Sonntag und so.»
«Lassen Sie mich raten», sagte Gino. «Keiner hat was gehört,
keiner hat was gesehen.»
Viegs nickte. «Stimmt. Aber… es war irgendwie irre.» Er blickte
in die Runde, räusperte sich, scharrte mit seinen auf Hochglanz
polierten Schuhen. «Wir müssen an so ungefähr zwanzig Türen
geklingelt haben, Privathäuser und Geschäfte… Mann, es war echt
irre.»
Magozzi senkte den Blick von Viegs' Kopfhaut zu dessen Augen.
«Was soll das heißen?»
Viegs zuckte hilflos mit den Achseln. «Viele Leute fingen zu
weinen an. Ich meine, wirklich viele. Kaum hatten sie gehört, dass Mr. Gilbert tot war, ging das Geheule los. Männer, Frauen, Kinder…
es war fürchterlich.»
Magozzi sah ihn jetzt konzentrierter an. Das wurde langsam
interessant.
«Ich kapier das einfach nicht. Ich meine, dies ist doch eine
Großstadt. Die Hälfte der Leute, die hier wohnen, kennt ihre
Nachbarn nicht mal von Ansehen. Aber wenn man sieht, was sich da
draußen abspielt» – Viegs deutete mit einer ruckartigen
Kopfbewegung zur Straße – «muss man sich schwer wundern.»
Gino stand auf und blickte über Viegs' Schulter auf die leere
Auffahrt. «Wovon reden Sie?»
«Sind Sie vor kurzem auf der Straße gewesen?»
«Nicht seit unserem Eintreffen.»
Viegs zeigte mit angewinkeltem Daumen in Richtung Auffahrt.
«Dann spazieren Sie mal da runter. Sie müssen es mit eigenen Augen sehen.»
Gino und Magozzi gingen über den Parkplatz, durch die Öffnung
in der Hecke, wo die Auffahrt verlief, und blieben verblüfft stehen.
In beide Richtungen war der Gehsteig gedrängt voll mit Menschen
aller erdenklichen Altersgruppen und Rassen. Manche weinten leise, andere standen ernst und stoisch da, allesamt absolut bewegungslos und absolut stumm. Magozzi spürte, wie sich ihm die Nackenhaare
sträubten.
Gino schaute zu, wie weitere Menschen die Straße überquerten
und sich still unter die Trauernden einreihten. «Mein Gott», flüsterte er. «Wer war denn dieser alte Mann?»
Ein hoch gewachsener blonder Jugendlicher am Absperrband hob
immer wieder leicht seine Hand, um ihre Aufmerksamkeit zu
wecken. Magozzi ging hinüber und beugte sich zu ihm. «Kann ich
was für dich tun, mein Sohn?»
«Ähm… sind Sie die Detectives?»
«Das sind wir.»
Unter anderen Umständen sah der junge Mann bestimmt gut aus,
aber jetzt war sein Gesicht fleckig sowie rot und um die Augen
aufgedunsen. «Ich bin Jeff Montgomery? Und das ist Tim Mason?
Wir arbeiten hier, und Mr. Pullman hat uns aufgefordert zu Hause zu bleiben, denn Sie würden vielleicht mit uns reden wollen? Aber…
wir mussten einfach herkommen, verstehen Sie?»
Magozzi fand, dass sie aussahen wie zwei verirrte Welpen. Er
hob das Absperrband und forderte sie mit einer Geste auf,
drunterdurch zu kommen. Dabei musste er die Regung unterdrücken,
ihre Köpfe zu tätscheln und ihnen zu versichern, dass alles in
Ordnung kommen würde.
KAPITEL 7
Wenn es keine offenkundigen Verdächtigen gab, bestand der erste
Ermittlungstag in einem Mordfall aus einem hektischen
Durcheinander von Vernehmungen und Faktenklärung. So vergingen
die kostbaren Stunden nach einem Mord, und die
Wahrscheinlichkeit, den Mörder zu finden, sank rapide. Wenn man
Glück hatte, sah man einen Hoffnungsfunken aufglimmen –
entdeckte eine winzige Information, die vielleicht in die richtige Richtung deutete. Doch Magozzi und Gino hatten dieses Glück heute nicht gehabt. Seit vierzehn Stunden waren sie an dem Gilbert-Fall dran, und noch gab es keinen Hoffnungsschimmer.
Magozzi parkte den Wagen auf der Straße neben der City Hall,
und eine Zeit lang blieben er und Gino im Dunkeln sitzen.
Weißt du, was dein größtes Problem ist, Leo? Du nimmst jeden
Mord so verdammt persönlich.
Es waren diese Sätze seiner geschiedenen Frau, die ihn noch
heute sprachlos machten und die ihm auch nach all den Jahren nicht aus dem Kopf gingen. Sogar das Geständnis ihrer häufigen Untreue, das sie in der Endphase ablegte, hatte im Laufe der Zeit seine
niederschmetternde Wirkung verloren, nicht aber jene Worte.
Damals hatte er zum allerersten Mal die Möglichkeit erwogen, ein
Mord müsse nicht von jedem persönlich genommen werden, aber
anfreunden hatte
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