Der Köder
hatte,
allein zu seinem Nutzen gedacht war – und ihm das größte
Katzenklo der Welt bescherte.
«Puff, komm jetzt her!»
Er reagierte mit einem ärgerlichen Zucken des Schwanzes, ließ
sie wissen, dass er kommen würde, sobald er es für gut und richtig hielt, aber nicht eine Minute früher. Es ging nicht in sein winziges Katzenhirn, dass er nach Einbruch der Dunkelheit direkt vor ihren Augen von den Hunden aus der Nachbarschaft zerfleischt werden
konnte und sie trotzdem nicht in der Lage sein würde, ins Freie zu gehen, um ihn zu retten.
Gott, wie sie es hasste, so zu sein, wie sie die Tränen der
Verzweiflung hasste, die in ihren Augen brannten. Warum konnte
dieser verdammte Kater nicht einfach hereinkommen?
«PUFF, KOMM JETZT HER!»
Und endlich gehorchte Puff. Er kam zu seinem Frauchen
getrottet, als hätte er erst jetzt von ihrer Anwesenheit Kenntnis genommen, und zur Begrüßung stellte er fröhlich den Schwanz auf.
Rose bückte sich, nahm ihn auf den Arm und flüsterte ihm liebevolle Verwarnungen zu, während Tränen der Erleichterung sein Fell
benetzten. In ihrer hellen, gemütlichen Küche fühlte sie sich sofort wieder sicher, und ihre albernen Tränen versiegten, als sie dem Kater Sahne auf einen Teller goss und sich einen Sherry einschenkte.
Das Telefon läutete, als sie es sich auf dem Sofa bequem machte,
das so alt und knautschig war wie sie. Ihr Schwiegersohn war dran –
nicht der hellste Bursche auf diesem Planeten und ein lausiger
Zahnarzt dazu. Aber er war ihrer Lorrel ein guter Ehemann, und viel mehr konnte sich eine Mutter nicht wünschen, wie Rose fand.
«Hallo, Richard. Ja, mir geht es gut. Ich nehme an, Lorrel arbeitet länger? Natürlich denke ich an morgen Abend, noch bin ich ja nicht ganz verkalkt. Fünf Uhr. Gib den Mädchen einen Kuss von mir und
sag ihnen, ich kann es gar nicht abwarten, sie zu sehen. Ich habe auch Kekse gebacken.»
Rose lächelte, als sie den Hörer auflegte, und lächelte noch
immer, als sie den Fernseher anschaltete, Puff auf ihren Schoß lockte und langsam eindöste. Ihre Enkelinnen waren vom College auf
Besuch zu Hause, und morgen Abend würden sie alle gemeinsam
zum Essen ausgehen.
Rose wachte viel später auf, leicht desorientiert und mit
Gliederschmerzen von der anstrengenden Gartenarbeit des
vergangenen Tages. Puff hatte ihren Schoß verlassen, aber sie spürte sein Fell, das ihren Nacken kitzelte. Er hatte sich auf seinen
Lieblingsplatz zurückgezogen und saß jetzt auf der Rückenlehne des Sofas, von wo aus er zum Fenster hinausschaute. Sie reichte nach
hinten, um ihn zu streicheln, aber ihre Hand verharrte in der Luft.
Puff fauchte.
Sie tastete nach der Fernbedienung und fand schließlich den
Knopf, mit dem man den Ton abstellte. «Was ist denn los,
Katerchen?» Nach ein paar Sekunden Stille hörte sie hinter sich ein leises Rascheln, irgendwo draußen in den Büschen.
Vögel im Lebensbaum, mehr nicht, sagte sie sich. Des Nachts
suchten die kleinen Tierchen in dem immergrünen Baum Schutz und
flatterten von Ast zu Ast.
Aber es war nicht das Geräusch von flatternden Flügeln, nicht
wirklich. Es hörte sich an wie… etwas Größeres.
Jemand ist da draußen.
Rose erkannte es an den Zeichen, die man nie beachtete, bis es zu spät war: den kleinen Härchen, die sich auf ihrem Nacken sträubten, der Gänsehaut, die sich über ihre schlaffen alten Arme ausbreitete.
Und als das tiefe Grollen, das Puff hören ließ, in der Tonhöhe
anstieg, wusste sie…
… Jemand ist da draußen, auf der anderen Seite der
Fensterscheibe, und sieht zu mir herein.
Langsam drehte sie den Kopf, ganz langsam, und dann erblickte
sie in der Dunkelheit vor ihrem Fenster ein Augenpaar, das zu ihr hereinsah.
Es folgte ein kurzer Augenblick, in dem ihr vegetatives
Nervensystem angemessen reagierte – das Herz setzte einen Schlag
lang aus, hämmerte gleich darauf wie wild, das Blut raste vom Kopf in die Beine, indem es dem uralten Fluchtinstinkt gehorchte. Ihr
Gesicht fühlte sich kalt und klamm an. Aber kaum hatte es
begonnen, war es auch schon vorüber, und Rose wandte den Blick
wieder dem tonlosen Fernsehschirm zu. Sie saß ganz still da und
wartete darauf, aus diesem schlimmen Traum zu erwachen.
Es ist kein Traum.
Das Rascheln hörte auf, und ein paar Minuten später, als sie
endlich den Mut aufbrachte, sich erneut umzudrehen, war niemand
vor ihrem Fenster zu sehen.
Sie hielt die Luft an, bis ihre Lungen beinahe platzten,
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