Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
Vom Netzwerk:
und
    allmählich kam sie sich auch ein wenig albern vor, weil es wohl
    wirklich nur ein Traum gewesen war. Der Verstand spielt einem in der Dämmerwelt zwischen Schlaf und Wachzustand gern üble
    Streiche. Besonders wenn es ein gealterter Verstand ist.
    Und dann rappelte die Vordertür in ihrem Rahmen, und Rose fing
    so stark zu zittern an, dass sie fürchtete, ihre alten Knochen würden splittern wie Glas.
    Ruf die Polizei.
    Sie griff nach dem Telefon auf dem Tisch neben sich, aber ihre
    Hand funktionierte nicht wie gewünscht, nein, ganz und gar nicht, sie konnte dagegen nichts ausrichten, sondern musste hilflos mit
    ansehen, wie das nutzlose Anhängsel krampfte und fuchtelte und
    zuckte und schließlich das Telefon zu Boden warf.
    Der Lärm an der Vordertür hörte irgendwann auf, aber die Stille
    war noch schlimmer, denn Rose litt grässliche Angst, vielleicht
    vergessen zu haben, die Hintertür abzuschließen, und sogar noch
    größere Angst, aufzustehen und nachzuschauen.
    Sie saß wie gelähmt auf dem Sofa, eine erbarmenswürdige alte
    Frau, die sich vorgaukelte, wenn sie sich still verhielte, wenn sie nicht atmete, würde, was auch immer ihr drohte, einfach
    vorübergehen. Im nächsten Moment hörte sie, wie hinten die
    Fliegentür geöffnet wurde und mit einem Klicken wieder zuschlug.
    Noch immer konnte sie sich nicht bewegen.
    Die schwere Innentür schloss sich und nahm dem Zimmer ein
    wenig Luft.
    Rose machte keine Anstalten, sich umzudrehen, damit sie ihn
    sah. Daher trat er in ihr Blickfeld und wartete darauf, dass sie seinen Blick erwiderte. Als das geschah, zog er eine große Waffe aus seiner Jackentasche und zielte auf sie.
    Oh, Gott. Es würde nicht an ihr vorübergehen. Diesmal würde es
    sie umbringen.
    In diesem furchtbaren Augenblick der Erkenntnis wurde sie
    wieder jung und stark und furchtlos, und sie schwang sich in genau dem Sekundenbruchteil in die Höhe, als die Kugel die Mündung
    verließ. So verdarb sie ihm den Todesschuss. Feuer brannte sich in ihren Bauch statt in ihr Herz, und Rose sah hinunter auf die rote Knospe, die vorn auf dem Alte-Damen-Kleidchen erblühte.
    «Verdammt», sagte er und schoss ein zweites Mal auf sie.

    KAPITEL 10

    Chief Malcherson war einer dieser hoch gewachsenen, stattlichen
    Männer schwedischer Abstammung mit dichtem weißem Haar. Er
    hatte eisblaue Augen, die ihn bösartig wirken ließen, und dazu ein melancholisches Hundegesicht. So ähnlich wie ein mordlustiger
    Basset. Heute Morgen trug er Nadelstreifen – für ihn ein Ausflug in gewagtere Modegefilde.
    «Ich mag den Anzug», verkündete Gino und ließ sich auf einen
    Stuhl neben Magozzi fallen. Der warf ihm einen warnenden Blick
    zu, aber Gino schaltete nicht. «Hat den gewissen Pfiff. Richtung
    Mafia-Look.»
    Malcherson, der gerade sein Jackett ausziehen wollte, hielt in der Bewegung inne und schloss die Augen. «Nicht gerade das Image,
    das ich im Sinn hatte, Rolseth.»
    «Ich hab's doch nur positiv gemeint.»
    «Gerade das macht mir ja Angst.» Malcherson nahm hinter
    seinem Schreibtisch Platz und tippte mit einem manikürten Finger
    auf den Stapel hellroter Schnellhefter. Dieser erzkonservative Mann bewahrte die Akten offener Mordfälle in roten Schnellheftern auf, weil er diese Farbe wahrscheinlich als ebenso widerwärtig empfand wie die Verbrechen selbst. Magozzi hatte seit über vier Monaten
    keinen dieser Hefter auf dem Schreibtisch seines Chefs gesehen.
    «Die Medien würden gern erfahren, warum unsere älteren Mitbürger
    misshandelt und ermordet werden.»
    Magozzi lehnte sich nach vorn. «Hat es tatsächlich jemand so
    ausgedrückt?»
    «Ein Praktikant von Channel Ten.» Malcherson wedelte mit
    einem der rosafarbenen Zettel, auf denen Telefonanrufe notiert
    wurden.
    Gino polterte los: «So ein Scheißdreck. Das passiert, wenn man
    seinen Job macht und es eine Weile keinen Mord gibt. Kaum werden
    dann zwei Typen in einer Nacht umgelegt, versucht irgend so ein
    Idiot in den Medien, die Stadt in Angst und Schrecken zu stürzen, indem er es zu einer Mordserie aufbauscht, gleich von einem
    Serienkiller spricht oder sich irgendwelchen Hollywood-
    Schwachsinn ausdenkt. Außerdem wurde nur einer von ihnen
    misshandelt, und das war nicht unserer: Morey Gilbert war tot, bevor er auf dem Boden landete, und außer dem einen kleinen
    Einschussloch waren bei ihm keine Wundmale zu sehen.»
    «Es gibt also keinen Grund für den Verdacht, dass zwischen den
    beiden Morden ein Zusammenhang besteht?»
    Magozzi

Weitere Kostenlose Bücher