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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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nächsten Morgen in seiner Auffahrt wach
    geworden, und die Leute im Club sagen, so geht das mit ihm fast
    jede Nacht. Sieht so aus, als wäre die ganze verdammte Familie
    daran zerbrochen, dass Hannah starb.»
    Chief Malcherson sah hinunter auf seine Hände, und einen
    Augenblick lang sagte niemand etwas.
    Selbst nach einem Jahr führte die Erwähnung von Hannah
    Pullmans Ermordung dazu, dass in diesem Gebäude jede
    Unterhaltung zum Erliegen kam. Willkürliche Gewalttaten waren in
    Minneapolis nicht unbekannt, besonders nicht in den Stadtbezirken, in denen Straßengangs ihre Revierkämpfe austrugen und unschuldige Passanten gelegentlich ins Kreuzfeuer gerieten – aber das geschah selten, und wenn, versetzte es die Stadt stets in Aufregung. Aber die Ermordung der Ehefrau eines Officers hatte einen tausendfach
    stärkeren Schock hervorgerufen, und alle Polizisten waren tief
    betroffen.
    Manchmal wurden Polizisten umgebracht, das konnte in ihrem
    Job passieren. Aber dieses Berufsrisiko durfte sich nicht auf ihre Familienmitglieder ausweiten. Der Mord an Detective Pullmans Frau war ein Alarmsignal gewesen, das allen an die Nieren ging, denn
    Marty hatte bewaffnet neben Hannah gestanden, als ihr die Kehle
    durchgeschnitten wurde, und war dennoch nicht in der Lage
    gewesen, sie zu beschützen. Danach mussten sie alle sich
    vergegenwärtigen, dass ihre Familien ein wenig verwundbarer
    geworden waren, und sie kamen sich ein wenig hilfloser vor. Die
    traurige Wahrheit bestand jedoch darin, dass viele von ihnen Marty die Verantwortung zuschoben.
    Warum hat er den Dreckskerl nicht erschossen, als sich ihm die Möglichkeit dazu bot?
    Magozzi hatte diese Frage in den Monaten nach dem Mord in der
    Umgebung der City Hall wohl hundert Mal gehört, und sie hatte bei ihm stets einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen, besonders
    wenn sie von Gino gekommen war.
    «Hat einer von Ihnen Hannah gekannt?», fragte Chief
    Malcherson.
    Magozzi schüttelte den Kopf. «Nur so gut, dass man sich auf dem
    Flur grüßte. Sie kam manchmal, um Marty abzuholen.»
    «Mir geht Mrs. Gilbert nicht aus dem Sinn. Erst ihre Tochter und
    dann ihr Mann, beide innerhalb eines Jahres ermordet. Ich weiß
    nicht, wie man so etwas überstehen kann.»
    «Werden Sie nur nicht zu sentimental, was die alte Dame
    betrifft», sagte Gino. «Sie hat bisher kein Alibi.»
    «Gino empfindet nicht viel Sympathie für Mrs. Gilbert»,
    erläuterte Magozzi.
    «Ich kann nur keine Sympathie dafür aufbringen, dass sie an
    einem Tatort Spuren vernichtet hat und auch vom Tod ihres Mannes
    anscheinend nicht ernsthaft betroffen war. Hinzu kommt da die Art, wie sie sich aufgeführt hat.»
    Malcherson sah ihn fragend an. «Und wie hat sie sich
    aufgeführt?»
    «Ziemlich feindselig, wenn Sie mich fragen. Wir tun nur unsere
    Arbeit, versuchen herauszufinden, wer ihren Mann umgebracht hat,
    und als ich ihr ein paar Fragen stelle, geht sie gleich auf mich los.»
    Mit einem genervten Blick, den er Magozzi zuwarf, bat
    Malcherson um nähere Erläuterung.
    «Gino hat gefragt, ob Mr. Gilbert ‹irgendwelche ungewöhnlichen
    Geschäfte› abgewickelt habe, und das hat sie gekränkt.»
    «Oh.»
    «Sie hat ihn richtig angefaucht.»
    «Aha.» Malcherson sah jetzt wieder Gino an, und einen bangen
    Moment lang fürchtete Magozzi, der Chief könnte tatsächlich einmal schmunzeln. «Kurz gesagt, Sie haben also die Integrität ihres
    verstorbenen Mannes in Frage gestellt, und ihre Reaktion war
    weniger freundlich, als Sie glaubten, es verdient zu haben.»
    Gino lief rot an, und sein Kopf schien langsam zwischen den
    Schultern zu versinken. «Sie hätten dabei sein müssen.»
    «Es tut mir sehr leid, dass eine alte Dame Ihre Gefühle verletzt
    hat, Detective Rolseth.»
    Magozzi wischte mit der Hand über sein Grinsen, was Gino nicht
    entging.
    «Ach, komm schon, Leo, es war doch sehr viel mehr als das, und
    das weißt du auch. Irgendwas ist los mit dieser alten Schachtel.
    Vergiss, dass sie keine Träne vergossen hat und ihre scharfe Zunge zu benutzen weiß. Ist sie zusammengebrochen, als sie ihren toten
    Mann gefunden hat? Nein. Stattdessen lädt sie ihn auf eine
    Schubkarre – eine Schubkarre, verdammt noch mal –, schiebt ihn durch die Gegend, hievt ihn auf einen dieser Gärtnereitische, spritzt ihn mit einem Gartenschlauch ab, wäscht ihn und zieht ihn dann
    gesellschaftsfähig an. Das ist doch keine normal trauernde Witwe, und wenn wir uns von ihrem Auftritt einlullen lassen, verschließen

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