Der Köder
Magozzi ein, «dass wir noch
eine ganze Menge mehr über Morey Gilbert herausfinden müssen.
Wir müssen prüfen, ob irgend etwas uns in eine andere Richtung
weist. Im Moment können wir uns nicht vorstellen, dass er sich viele Feinde gemacht hat, aber einen muss es offensichtlich gegeben
haben. Niemand, mit dem wir bisher gesprochen haben, will diese
Möglichkeit einräumen – einschließlich Langer und McLaren, die
ihn sehr gut kennen gelernt haben, als sie den Mord an Hannah
untersuchten. Er besaß einige enge Freunde – darunter den
Beerdigungsunternehmer, mit dem wir uns noch mal unterhalten
werden.»
Das rote Licht an Malchersons Schreibtischtelefon blinkte.
«Wahrscheinlich wieder ein Reporter», sagte Gino. «Möchten
Sie, dass ich rangehe?»
Fast hätte Malcherson geschmunzelt. «Entschuldigen Sie mich
für einen Augenblick, meine Herren. Aber gehen Sie nicht weg.»
Er nahm den Hörer ab, hörte kurz zu, zog dann einen unberührten
Notizblock aus der mittleren Schublade und legte ihn behutsam auf seine lederne Schreibtischunterlage. Er schien einen
unerschöpflichen Bestand an diesen nagelneuen Schreibblöcken zu
besitzen, und Magozzi hatte noch nie gesehen, dass er einen benutzt hatte, der auch nur im entferntesten gebraucht aussah. Er hatte sich auch oft gefragt, ob der Chief vielleicht einen ganzen Schrank voller Schreibblöcke besaß, die er ausrangiert hatte, weil das erste Blatt fehlte.
Er und Gino sahen mit wachsender Besorgnis zu, wie
Malcherson mit seinem Montblanc auf dem Block kritzelte.
Angenehme Telefonanrufe erforderten keine ausführlichen Notizen.
«Das waren keine guten Nachrichten», sagte Malcherson, als er
schließlich aufgelegt hatte. «Officer Viegs hat soeben gemeldet, dass man heute Morgen eine ältere Frau erschossen in ihrer Wohnung
aufgefunden hat.» Er riss ein Blatt Papier ab und reichte es Magozzi.
«Selbe Gegend?», fragte Gino.
«Gut geraten, Detective Rolseth.» Malcherson sah hinunter auf
seinen Block – die Kugelschreibernotizen hatten sich aufs zweite
Blatt durchgedrückt und es verunstaltet, besudelt mit den
Einzelheiten eines Mordes. Ein weiterer Block für den Schrank.
KAPITEL 11
Magozzi und Gino fuhren vor einem adretten kleinen Häuschen vor.
Beim Anblick der strahlend weißen Fensterläden und des
lebensfrohen Hellblaus, in dem es gestrichen war, erfasste Magozzi eine große Traurigkeit. Die hässlichen gelben Absperrbänder, mit
denen ein Tatort gesichert wurde, waren eine Beleidigung für die
freundliche Farbgebung des Hauses.
Der Garten trug nicht dazu bei, seine Schwermut zu lindern. Es
gab überall penibel gepflegte Blumenbeete, die wahrscheinlich schon in Wochenfrist von Unkraut überwuchert und vergessen sein
würden. Und diesen kitschigen Gartenschmuck, der nur Großmüttern
verziehen wurde: Vogelbäder, reich verziert mit Glasmurmeln,
Kunstharzfrösche mit trüben Rheinkieselaugen und lächelnde
Gartenzwerge, die Brokatmäntel aus bunten Glasscherben trugen.
Einer der Zwerge hielt ein bemaltes Schild, auf dem GRANDMA'S
GARDEN stand.
Gino sah diesen Gartenzwerg lange an, bevor er sich schließlich
abwandte.
Officer Viegs wartete an der Vordertür in der Sonne. Zwischen
seinen implantierten Haarbüscheln hatten sich winzige
Schweißperlen gebildet.
«Viegs, wenn Sie noch öfter an Mordschauplätzen auftauchen,
müssen wir Sie auf die Liste der Verdächtigen setzen», sagte
Magozzi.
«Detective, wenn es in meinem Revier zu noch mehr Morden
dieser Art kommt, werde ich mir Urlaub nehmen, um meiner Mutter
zu helfen, an einen sicheren Ort umzuziehen, zum Beispiel nach
New York in die Bronx. Sie wohnt jetzt in einem der
Apartmenthäuser für Senioren am See, und nach den beiden Fällen
gestern wollten sie und ihre Nachbarn schon mit dem Kofferpacken
anfangen. Dieser Fall hier wird das Fass zum Überlaufen bringen,
und ich muss sagen, ich kann es ihnen nicht verübeln.»
«Ich verstehe schon, aber bis jetzt haben wir nichts, was die
beiden Fälle in Verbindung bringt.»
Viegs hob die Augenbrauen, und sämtliche Haarbüschel gerieten
in Bewegung. «Nun sind es aber drei. Alle waren alt, wohnten in
dieser Gegend, und alle wurden erschossen.»
«Ja. So ist es wohl. Was haben Sie für uns?»
Viegs zog sein Notizbuch hervor. «Rose Kleber, mit K.
Achtundsiebzig, Witwe, lebte allein. Zwei Schüsse, einer in den
Bauch, einer in die Brust, keine Anzeichen für einen Einbruch oder für sexuelle
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