Der Köder
Könnten
doch irgendwelche Sporen sein, die in dem alten Zeug überlebt
haben, so wie bei den ägyptischen Gräbern, als man sie geöffnet hat?
Und du hast doch kräftig davon eingeatmet.»
«Aha.» Langer nickte einsichtig. «Wir sollten also den Karton
schnell zumachen und ihn vergessen, weil vielleicht
lebensbedrohende Sporen drin sind, ja?»
«Gute Idee.» McLaren schloss die Klappen des Kartons, hielt
dann aber inne und seufzte unglücklich. «Das Problem ist nur, dass wir dann so gut wie nichts mehr haben, dem wir nachgehen können.
Wir könnten natürlich noch mal mit der Haushälterin reden, aber ich weiß nicht, was sie uns noch zu erzählen hätte.»
«Wahrscheinlich nichts.» Langer warf einen Blick hinüber auf
den beiseite gestellten Karton. «Es scheint nicht viel zu sein, was es über das Leben des Mannes zu sagen gibt.»
«Ja, ich habe auch zu Gloria gesagt, dass er so was wie ein
Niemand war, und sie meinte, dass ein Niemand nicht so umkommen
würde, wie dieser Mann gestorben ist. Das ist doch der Knackpunkt, oder? Jemand wusste, dass Arien Fischer existierte, und
offensichtlich hat er diesen Jemand sehr, sehr böse gemacht.»
Langer dachte darüber nach, zog dann einen frischen
Schreibblock aus seiner Schublade und griff nach einem
Kugelschreiber. «Okay. Wer foltert andere Menschen, wenn er sehr, sehr böse auf sie ist?»
McLaren zählte sie an seinen Fingern ab. «Nun, da sind die
Typen von der Mafia, die wir schon ausgeklammert haben, weil es
nicht den geringsten Beweis dafür gibt…»
«Richtig.»
«… und dann wären da die kranken Serientäter, ein Haufen
ausländischer Diktatoren, militärische Geheimdienste in ein paar
hundert Ländern, korrupte Cops, hasserfüllte Rassisten…» McLaren
hielt inne und blinzelte. «Hui, das ist 'ne ziemlich lange Liste, oder?»
Langer nickte. «Die erbärmliche Welt, in der wir leben.»
«McLaren!» Gloria streckte den Kopf um die Trennwand der
Arbeitsnische. «Dieser Brite ist auf Leitung zwei, und Langer, nimm sofort Leitung eins ab. Deine Toilette im Parterre ist verstopft.»
Langer verzog das Gesicht, als er auf sein blinkendes Telefon
sah. «Die Toilette hätte ich letzte Woche reparieren sollen. Hab's vergessen. Wer ist denn dieser Brite?»
«Weiß nicht. Irgend ein eingebildeter Typ, sagt Gloria. Hat schon ein paar Mal angerufen. Ist wahrscheinlich sauer, dass ich nicht
zurückgerufen habe.»
«Bestimmt nicht so sauer wie meine Frau.»
Langer brauchte gut zehn Minuten, um seine Frau zu beruhigen
und den Klempner zusammenzustauchen, den sie gerufen hatte –
einen dieser Halsabschneider vom Notdienst, die sich mitten in
einem überfluteten Haus aufstellten und tausend Dollar dafür
verlangten, dass sie einen Hahn abdrehten. Als er mit seinem
Gespräch zu Ende war, hatte McLaren drei Papierservietten voll
gekritzelt und bedankte sich gerade ungewöhnlich höflich bei seinem Anrufer.
«Hört sich so an, als sei dein Gespräch angenehmer verlaufen als
meins», sagte Langer und legte das Telefon auf die Gabel.
McLarens Grinsen wirkte fast albern. «Mann, du wirst es nicht
glauben. Weißt du, wer das war? Interpol. Die gottverdammte
Interpol, Teufel auch. Wegen unserer 45er ist allerhand passiert.»
Langer spürte förmlich, wie sich seine Ohren spitzten. «Die 45er, die ein Loch in Arien Fischers Arm hinterlassen hat?»
McLaren nickte strahlend. «Sie haben sich die ballistischen
Daten vorgenommen, die wir ans FBI weitergegeben haben, und die
haben auf sechs Zylindern gezündet.»
Langer runzelte die Stirn, wie immer verwirrt von McLarens
labyrinthisch-konfusen Vergleichen.
«Sechs Treffer», erklärte McLaren aufgeregt. «Unsere 45er ist
die Mordwaffe in sechs ungelösten Fällen innerhalb der vergangenen fünfzehn Jahre, und Langer, mein Bester, du ahnst nicht, wo überall auf der Welt.»
KAPITEL 15
Magozzi fuhr in seine Auffahrt und dachte, dass sein Gespräch mit Rose Klebers Familie eine der schwierigsten Befragungen gewesen
war, an die er sich erinnern konnte. Es war irritierend, mit
Trauernden zu sprechen, die höchstgradig erregt waren und so laut wehklagten, dass man schreien musste, um sich Gehör zu
verschaffen; mühselig, denjenigen Fragen zu stellen, deren Blick
noch starr war vom Schock und deren Stimme hohl und monoton
klang; aber es war herzzerreißend gewesen, diese kleine Familie
freundlicher Menschen zu befragen, die ununterbrochen weinten, oft tonlos, und nichtsdestotrotz
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