Der Köder
eine alte Frau töten, der sie noch nie begegnet ist?»
«Hallo! Natürlich weil ihr Mann die Kekse backende Oma
genagelt hat, deswegen. Geriatrisches Verbrechen aus Leidenschaft, sonnenklar.»
«Irre ich mich, oder haben wir die Hälfte des Vormittags damit
verbracht, herauszufinden, dass Morey Gilbert und Rose Kleber
einander nicht mal kannten?»
«Dass die Familien davon nichts wussten, bedeutet noch lange
nicht, dass es nicht so war. Denk doch mal nach. Würdest du
Ehebruch begehen und dann deiner Familie davon erzählen?»
«Verschon mich bitte, Gino. Diese Leute waren alt.»
«Na und? Glaubst du, alte Leute haben keinen Sex? Willst du
mal bei mir übernachten? Wo Angelas Leute schlafen, muss ich
hinter dem Kopfbrett die Wand streichen.»
Magozzi sah ihn ungläubig an. «Niemals.»
«Ich mach keine Witze.»
«Wie alt sind sie denn, in den Siebzigern?»
«Genau.»
«Hm.» Magozzi schmunzelte. «Das ist eigentlich 'ne gute
Nachricht, oder?»
«Fand ich schon immer.»
«Trotzdem ist es die dämlichste Theorie, mit der du mir je
gekommen bist.»
«Okay, Schlaumeier. Hast du 'ne bessere?»
«Wenn man nach einer Verbindung zwischen Morey Gilbert und
Rose Kleber sucht, stellt man fest, dass sie beide Überlebende der Konzentrationslager sind. Verbrechen aus Hass könnte dazu passen.»
«Du meinst, irgendwelche Neonazischweine?»
Magozzi zuckte die Achseln. «Vielleicht. Die kommen doch ab
und zu aus ihren Löchern. Es gab gerade wieder Schmierereien an
Synagogen und Vandalismus. Dann diese Gruppe, die drüben in der
Innenstadt von St. Paul überall antisemitische Plakate geklebt hat.»
Gino schnaubte. «Diese Dummköpfe, die das Hakenkreuz falsch
herum gemalt haben? Mensch, Leo, das waren doch nur drei Typen,
und soweit ich gehört habe, reichte ihr Grips nicht mal für einen.»
«Bestimmt sind sie nicht die Einzigen in der Stadt.»
«Traurig, aber wahr. Wir können die rassistischen Delikte
überprüfen, um alles abzudecken, aber diese Idioten hinterlassen
doch schon Bekennerschreiben, wenn sie nur auf den Bürgersteig
gepisst haben, denn warum sollten sie es sonst tun? Außerdem
haben, nach Aussagen ihrer Familien, weder Gilbert noch Rose
jemals einen Fuß in eine Synagoge gesetzt, und damit dürften sie auf dem Radar des durchschnittlichen Dumpfbeutel von Neonazi nicht
erschienen sein. Außerdem waren es saubere Tatorte, die auf Profis schließen lassen, oder? Wir haben keine Spur, keine Fingerabdrücke, keine Zeugen – wir haben einen Killer mit Durchblick, wie zum
Beispiel eine clevere alte Dame, die noch gut in Form ist und sich Polizeiserien im Fernsehen ansieht.»
Magozzi grinste und schüttelte den Kopf. «Das kaufe ich dir
nicht ab.»
«Scheiße, ich weiß auch nicht. Vielleicht ein psychopathischer
Azubi, der sich am Seniorentag im Supermarkt seine Opfer sucht,
weil er auf die sprichwörtlichen fünfzehn Minuten Ruhm aus ist.»
Gino verdrehte die Augen. «Mann, jetzt treibst du's aber zu weit.
Wir haben zwei verschiedene Waffen, ein weibliches und ein
männliches Opfer, und nenne mir bitte einen Serienmörder, der ein Faible für Greise hatte. Sogar das FBI mochte die Sache nicht
anfassen, und die wollen sonst überall mitmischen. Und wenn wir
über eine Serie nachdenken, müssen wir auch Arien Fischer als Teil einer Serie ansehen, und der Mord an ihm passt keinesfalls zu denen an Gilbert und Kleber.»
Aber das war nicht das einzige Problem. Die Annahme, dass es
einen Mörder gab, der herumlief und zu seinem kranken Vergnügen
ältere Leute umbrachte, war eine Horrorvorstellung, die Magozzi gar nicht in Erwägung ziehen wollte. Es war dasselbe, als würde man
Kindern wehtun oder Welpen. Aber ebenso schwer vorstellbar war
es, dass zwei ältere Herrschaften wie Morey Gilbert und Rose Kleber in eine Sache verwickelt waren, die sie zu Zielscheiben machte.
Magozzi räumte das Geschirr ab. «Vielleicht sind wir auf dem
falschen Weg, wenn wir nach einer Verbindung suchen. Es ist eine
jüdische Nachbarschaft, in der viele Senioren wohnen. Und was soll es schon zu bedeuten haben, dass Gilberts Nummer in Rose Klebers
Telefonbuch steht? Mit der Gärtnerei wäre das zu erklären.»
«Du willst also sagen, es ist nur Zufall, dass wir zwei alte Juden haben, die in derselben Nachbarschaft innerhalb von zwei Tagen
umgebracht wurden?»
Magozzi stieß einen frustrierten Seufzer aus. «Nein. Seit wir zu
Rose Kleber gerufen wurden, habe ich das nicht mehr
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