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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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traurig breitete er in einer hilflosen Geste die Hände aus. «Wir sind alle alt. Bald werden wir ohnehin tot sein.»
    Was kann man darauf sagen, dachte Magozzi, konsterniert über
    die Unverblümtheit des Mannes. «Wir untersuchen die Möglichkeit
    eines Verbrechens aus Rassenhass.»
    Sol sah ihm in die Augen und fixierte ihn derart intensiv, dass
    Magozzi seinen Blick nicht abwenden konnte, selbst wenn er es
    gewollt hätte. «Wenn man Juden so sehr hasst, dass man sie
    ausrotten will, dann tötet man die Zuchttiere, Detective, verstehen Sie?» Magozzi versuchte zu nicken, hatte aber das Gefühl, dass sein Hals gelähmt war. «Das haben uns die Nazis beigebracht. So nannten sie unsere jungen Leute – Zuchttiere – als wären wir Vieh. Sicher, sie brachten auch alte Menschen um, aber nur weil sie nutzlos waren und ihnen im Wege. Hier muss es um etwas anderes gehen.»
    Gino hatte sich nicht gerührt, seit der alte Mann zu sprechen
    begonnen hatte. Jetzt atmete er lange aus und sprach leise. «Dann müssen wir nach anderen Gemeinsamkeiten zwischen Ihrem Freund
    Morey und Rose Kleber suchen. Wie wir schon sagten, etwas, das sie verband und sie beide ins Visier des Mörders brachte. Vielleicht sind sie sich ja im Lager begegnet und über die Jahre in Kontakt
    geblieben?»
    Sol schüttelte den Kopf. «Mrs. Kleber war in Buchenwald. Mehr
    wollte sie mir an jenem Tag nicht sagen, als sie herkam, um die
    Vorkehrungen für die Beisetzung ihres Mannes zu besprechen, und
    sie brachte den Namen des Lagers kaum über die Lippen. Morey war
    in Auschwitz, wie ich auch. Dort hat er mir das Leben gerettet,
    wussten Sie das?»
    «Nein, Sir, das wusste ich nicht», erwiderte Gino.
    «So war Morey. Selbst damals hat er Menschen geholfen.
    Vielleicht werde ich Ihnen eines Tages davon erzählen.» Er blickte hinüber zu Magozzi und dann wieder zu Gino. Seine dunklen Augen
    wurden feucht. «Der Mann war ein Held. Wer würde einen Helden
    töten wollen?»

    KAPITEL 17

    Die Sonne ging schon fast unter, als Magozzi auf der Druckmatte vor Grace MacBrides Vordertür stand und auf die Überwachungskamera
    horchte, die am Dachkasten über seinem Kopf surrte. Er
    unterdrückte die Regung, das Haar aus der Stirn zu streichen. Es war voll und schwarz und inzwischen zu lang, es fiel in alle Richtungen.
    Er hätte es am Sonnabend schneiden lassen sollen, bevor die Leute in Minneapolis wieder anfingen, einander umzubringen.
    Ein leises Bellen auf der anderen Seite der Stahltür, als die Riegel zurückgeschoben worden, ließ ihn schmunzeln. Der große
    drahthaarige Charlie, eine Promenadenmischung, die Grace von der
    Straße gerettet hatte, war nur unerheblich weniger paranoid als seine Besitzerin. Es hatte Wochen gedauert, bis er es aushielt, auf der anderen Seite der Tür zu warten, wenn Magozzi zu Besuch kam, und
    ihn mit einem aufgeregten Bellen willkommen hieß, statt hastig im nächstgelegenen Versteck zu verschwinden. Inzwischen hatte
    Magozzi mehr als ein Hemd wegwerfen müssen, weil schmutzige
    Pfoten und enthusiastische Hundeküsse es ruiniert hatten, aber es machte ihm nicht das Geringste aus.
    Als die Tür aufging, bot sich ihm nur ganz kurz das Bild von
    Grace' schwingendem schwarzem Haar und den lächelnden blauen
    Augen, bevor Charlies Pfoten auf seinen Schultern lagen und die
    lange Schlabberzunge sein Gesicht fand. Diese Begrüßung brachte
    ihn immer wieder zum Lachen und versöhnte ihn mit der Welt. Er
    fragte sich, ob er sich nicht zu einem Rendezvous mit dem Hund
    verabreden sollte.
    «Lass ihn das nicht machen», ermahnte ihn Grace jedes Mal. «Er
    darf keine Leute anspringen. Du ruinierst meine Erziehung.»
    Magozzi grinste sie über Charlies Schulter an. «Lass uns
    zufrieden. Ich bin heute noch nicht gedrückt worden.»
    «Ach, es ist hoffnungslos mit euch beiden. Komm rein.»
    Grace trug einen schwarzen Trainingsanzug und Tennisschuhe,
    was bedeutete, dass sie nicht ausgehen würden – ohne ihre
    englischen Reitstiefel tat sie keinen Schritt vor die Tür –, aber ihre Sig Sauer steckte im Schulterhalfter, ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie eventuell in den umzäunten hinteren Garten gehen würden, wo sie die Reichweite und Durchschlagskraft der größeren Waffe zu benötigen meinte. Der Derringer war ihre Waffe für brenzlige
    Situationen innerhalb des Hauses. Hätte sie den getragen, und zwar über den dicken Socken, damit das Knöchelhalfter nicht scheuerte, hätte er gewusst, dass dieser Abend keine Hoffnung

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