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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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Hennepin
    County. In unserem County, meine Herren. Dreihundert dieser
    Anträge wurden von Leuten gestellt, die über fünfundsechzig Jahre alt sind.»
    «Heilige Scheiße… Sir.»
    Ginos unflätige Ausdrucksweise ließ Malcherson
    zusammenfahren. «Das war, bevor über den Mord an Ben Schuler
    berichtet wurde. Ich nehme an, dass die Zahl heute noch steigen
    dürfte, zumal wir ja inzwischen nationale Aufmerksamkeit erlangt
    haben. CNN hat es gestern Abend groß herausgestellt, die anderen
    Networks werden es zu den Abendnachrichten haben, und das,
    meine Herren, wird die Volksseele wirklich zum Kochen bringen.»
    Gino warf die Hände in die Höhe. «Was ist bloß los mit diesen
    Leuten? Wenn ich ein Reporter wäre, der die Agenturmeldungen
    nach Themen durchkämmt, die von nationalem Interesse sind, würde
    ich mich sofort auf die Geschichte von dem alten Mann stürzen, den man gequält und an ein Eisenbahngleis gebunden hat.»
    Malcherson seufzte. «Der Mord war nur ein Einzelfall.
    Sensationell, ja, aber für Sensationslüsterne gibt es in diesem Land täglich Dutzende von Morden. Hingegen bearbeiten Sie drei Morde,
    und wenn auch niemand laut von ‹Serienmörder› spricht, denken tun sie es alle. Das allein schon reicht, um landesweit Aufmerksamkeit zu wecken. Schürt man noch das Entsetzen über unbegreifliche
    Morde an Überlebenden der Todeslager, kann man sicher sein, die
    Blicke des ganzen Landes auf sich zu ziehen.»
    Magozzi verspürte ein Kitzeln tief in seinem Kopf, als würden
    kleine Gehirnzellen aufstehen und mit den Armen fuchteln, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er schloss die Augen und
    runzelte angestrengt die Stirn. Konzentriert.
    «Was ist denn, Detective?», fragte Malcherson.
    Magozzi öffnete die Augen und sah den Chief an. «Ich weiß es
    nicht. Aber es wird mir schon einfallen.»

    KAPITEL 26

    Als Magozzi und Gino Chief Malcherson in der Imbissstube
    zurückließen, war die Sonne bereits hoch in einen dunstigen, fast weißen Himmel gewandert. Die Luft war schwül und drückend, und
    die Quecksilbersäule kratzte bereits an der 20-Grad-Marke. Als sie auf der 394 nach Westen fuhren, konnten sie sehen, wie sich der
    Dunst am Horizont zusammenballte und den Himmel aufwühlte.
    «Da kommt sie», bemerkte Gino, der von seinem zwecklosen
    Gefummel an den Knöpfen der unbrauchbaren Klimaanlage aufsah.
    «Die kanadische Kaltfront lässt sich nicht mehr aufhalten, und wenn das Baby hier ankommt, erleben wir den Zusammenprall der
    Titanen.»
    «Sie haben gesagt, irgendwann heute Abend», sagte Magozzi.
    «Für den ganzen Bundesstaat gilt Tornadowarnung.»
    «Wie irre ist das bloß? Vor zwei Wochen habe ich noch zehn
    Zentimeter Schnee von der Auffahrt geschaufelt, und jetzt sieden wir in unserem eigenen Schweiß und suchen den Himmel nach
    Trichterwolken ab.»
    «Willkommen in Minnesota.»
    Zwanzig Minuten später lenkte Magozzi ihr Fahrzeug auf
    kurvigen Straßen mit schönen Ausblicken durch eine bewaldete
    Siedlung, die sich alle Mühe gab, wie eine Minnesota-Wildnis
    auszusehen. Sie besaß zwar die entsprechenden Elemente – reiche
    Bestände alter Bäume, sprudelnde Bäche, die von der
    Schneeschmelze und dem Frühlingsregen gespeist wurden –, aber
    die Natur hatte ihre Hand hier nicht im Spiel, sondern die
    kommunale Planungsbehörde.
    Es gab weder Unterholz noch heruntergefallenes Reisig zwischen
    den Bäumen, keine geknickten Äste, die davon kündeten, dass vor
    kurzem noch ein Sturm durchgezogen war, und wenn ein Blatt es
    gewagt hatte, im vergangenen Herbst auf die unmarkierte
    Asphaltstraße zu fallen, war es schon seit langem weggekehrt
    worden.
    In diesem Teil von Wayzata gab es keine Grundstücke. Hier
    nannte man «Ländereien» sein Eigen, und nur ab und zu konnte man
    einen kurzen Blick auf eines der weitläufigen Landhäuser erhaschen, die weit zurückgesetzt von der Straße standen und zudem durch
    strategische Finessen der Landschaftsgärtner abgeschirmt waren.
    Gino blickte aus dem Fenster und machte ein zutiefst
    argwöhnisches Gesicht. «Okay, hier stimmt etwas nicht. Es gibt
    keine Schlaglöcher in dieser Straße. Himmel noch mal, wir haben
    Frühling in Minnesota. Dazu gehören einfach Schlaglöcher. Und der verdammte Asphalt sieht aus wie blank poliert. Hast du dir das Haus auf dem Hügel reingezogen, an dem wir gerade vorbeigefahren
    sind?»
    Magozzi schüttelte den Kopf und nahm den Blick nicht von der
    Straße, weil er eine Haarnadelkurve nehmen musste,

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