Der Köder
die dem
natürlichen Verlauf eines offenbar höchst verwirrten Bachs folgte.
«Es muss noch einen anderen Weg zu Jack Gilberts Haus geben.
Völlig unmöglich, dass er betrunken auf dieser Straße fahren kann.»
«Ich weiß nicht. Wäre vielleicht sogar hilfreich, betrunken zu
sein. Mann, das Ding windet sich wie mein Dünndarm.»
«Sehr appetitlicher Vergleich, Gino.»
«Danke. Irgendwie gefallen mir die vielen Kurven, und man
findet sie eben nur noch in so schnieken Siedlungen. Macht mich
stinksauer, dass die Verkehrsbehörde all unsere Straßen begradigt, als könnte keiner von uns ein Lenkrad halten. Der ganze verdammte Bundesstaat sieht langsam aus wie ein großes hässliches Gitternetz…
Oh-ooh. Was haben wir denn da?»
Magozzi hatte das erste Warnlicht schon am Rand der Kurve
aufblitzen sehen, die vor ihnen lag, und daher langsam abgebremst.
Je näher sie kamen, desto mehr Fahrzeuge sahen sie, auf deren
Dächern die Lichtbalken blinkten. Zu sehen waren vier
Streifenwagen aus Wayzata, ein Krankenwagen, Wagen privater
Sicherheitsdienste, das Einsatzfahrzeug der Feuerwehr, das immer
als Erstes auf den Weg geschickt wurde, und – am allerschlimmsten
– zwei Satelliten-Übertragungswagen lokaler Fernsehstationen.
Magozzi fuhr dicht an einen Streifenwagen heran, der quer über
der Straße stand. «Was wettest du, dass das Haus da oben Gilbert
gehört?»
Gino klang nervös. «Gottverdammt. Wir hätten ihn gestern
Abend festnageln sollen. Ich werde mich selbst hassen, wenn der
besoffene Mistkerl tot ist.»
Ein großer und schneidiger blonder Streifenpolizist, der aussah
wie ein Model aus Gentlemen's Quarterly, trat an die Fahrerseite.
«Morddezernat Minneapolis. Detectives Magozzi und Rolseth. Ist
das hier das Gilbert-Haus?»
«Ja, Sir. Aber einen Mord hat es hier nicht gegeben.» Erleichtert seufzten Gino und Magozzi im Duett. «Freut uns zu hören, Officer.
Was ist passiert? Wir haben gehofft, Jack Gilbert zu erwischen, um ihm ein paar Fragen zu einem Fall in Minneapolis zu stellen, den wir bearbeiten. Er ist doch nicht verletzt, oder?»
Der Polizist warf einen Blick nach hinten über die Phalanx der
Fahrzeuge. «Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht äußerlich. Die
Mediziner sehen ihn sich gerade an, aber er ist ziemlich fertig. Sagt, dass jemand versucht hat, ihn umzubringen.»
Gino und Magozzi tauschten einen Blick aus. «Wir müssen mit
ihm sprechen, Officer. Gibt's da ein Problem?»
«Kann ich mir nicht vorstellen, Detective, aber Sie sollten
vielleicht zuerst mit Chief Boyd sprechen, um sich darüber zu
informieren, was hier geschehen ist. Gilberts Version ist ein bisschen wirr. Warten Sie einen Augenblick, ich hole Ihnen den Chief.»
Sie hatten kaum genug Zeit, aus dem Auto zu steigen, als
Wayzatas Police Chief auch schon zu ihnen kam und sich vorstellte.
Er sah womöglich noch besser aus als sein Streifenpolizist, war aber ein paar Jahre älter. Magozzi kam zu dem Schluss, dass man gut
aussehen musste, um in Wayzata zu leben.
«Es ist mir eine echte Freude, Sie beide kennen zu lernen,
Detectives.» Chief Boyd ließ eine beeindruckende Doppelreihe
perlweißer Zähne aufblitzen. «Sie haben im vergangenen Herbst
geradezu erstaunliche Arbeit bei dem Monkeewrench-Fall geleistet.
Und jetzt bearbeiten Sie die Uptown-Morde, nicht wahr? Ich habe
gelesen, dass Gilberts Dad eines der Opfer war.»
«Das ist richtig», sagte Gino. «Wir waren auf dem Weg, uns mit
Jack Gilbert zu unterhalten, um noch ein paar Dinge zu klären, als wir in Ihre Parade gerieten. Sie haben hier ein stattliches Aufgebot beisammen, Chief. Was ist denn passiert?»
«Gestern Abend oder heute Morgen?»
Gino zog die Augenbrauen hoch. «Gestern Abend?»
«Da ging es los. Gegen elf Uhr wählte Gilbert in Panik die
Neuneinseins. Er sagte, es befänden sich Eindringlinge auf seinem Grundstück, und wir schickten zwei Wagen, um nach dem Rechten
zu sehen. Meine Leute haben das Grundstück ziemlich gründlich
durchsucht, konnten aber nichts finden. Um Ihnen die Wahrheit zu
sagen, die Jungs taten es als falschen Alarm ab. Mr. Gilbert war…»
Er sprach aus Höflichkeit nicht weiter.
«Sternhagelvoll?», bot Gino an, und Chief Boyd lächelte fast
kleinlaut, als müsse er sich entschuldigen.
«Na ja, er war gerade von der Beerdigung seines Vaters
heimgekommen», sagte er und bewirkte, dass Gino sich wie ein
herzloser Mistkerl vorkam. «Und ich glaube, er macht eine ziemlich schwere Zeit durch.
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