Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Koenig aller Krankheiten - Krebs, eine Biografie

Der Koenig aller Krankheiten - Krebs, eine Biografie

Titel: Der Koenig aller Krankheiten - Krebs, eine Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mukherjee Siddhartha
Vom Netzwerk:
Antionkogene beziehungsweise Tumorsuppressorgene die »Bremsen«: Sie stoppen die Zellteilung, sobald die Zelle das entsprechende Signal empfängt. In Krebszellen sind, um Bishops Analogie noch einmal zu gebrauchen, die Bremsen durch Mutationen inaktiviert, das »Stopp«-Signal, das normalerweise die Mitose beendet, wird nicht mehr registriert, und das Ergebnis ist, wie im ersten Fall, eine ununterbrochene Zellteilung, die auf kein Signal mehr reagiert.
    Beide Abnormitäten, aktivierte Protoonkogene und inaktivierte Tumorsuppressorgene (»verklemmte Gaspedale« und »fehlende Bremsen« 8 ), sind die zentralen molekularen Defekte in der Krebszelle. Bishop, Knudson und Varmus wussten nicht, wie viele solche Defekte letztlich notwendig sind, um Krebs auszulösen. Aber das Zusammenwirken mehrerer, postulierten sie, lässt Krebs entstehen.

DIE KENNZEICHEN VON KREBS
    Ich möchte nicht durch meine Werke 1 unsterblich
werden, sondern indem ich nicht sterbe.
    Woody Allen
     
    Philip Leders OncoMouse, die im Vivarium der Harvard Medical School durch ihren Käfig huschte, trug weitreichende Folgen auf ihren kleinen Pfoten. Die Maus verkörperte die Reife der Krebsgenetik: Wissenschaftler hatten durch künstliche Manipulation zweier Gene, Ras und Myc , in einem Tier echte, lebende Tumoren erzeugt, nicht nur abstrakte, schwächliche foci in Petrischalen. Doch warf Leders Experiment weitere Fragen im Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs auf. Krebs ist nicht einfach ein Knoten im Körper; er ist eine Krankheit, die wandert, sich entwickelt, in Organe eindringt, Gewebe zerstört und sich Medikamenten widersetzt. Nicht einmal die Aktivierung zweier starker Protoonkogene hatte ausgereicht, um das volle Krankheitsbild von Krebs in jeder Zelle der Maus zu rekapitulieren. Die Krebsgenetik hatte viel von der Karzinogenese erhellt, aber es blieb auch noch viel aufzuklären.
    Wie viele aktivierte Protoonkogene und inaktivierte Tumorsuppressorgene mussten vorhanden sein, wenn zwei Onkogene nicht ausreichten, um Krebs zu erzeugen? Welche genetischen Schritte waren erforderlich, um eine normale Zelle in eine Krebszelle zu verwandeln? Für Krebs beim Menschen konnten diese Fragen nicht experimentell beantwortet werden – man konnte schließlich nicht aktiv einen menschlichen Krebs herstellen und dann die Aktivierung und Inaktivierung von Genen beobachten. Aber rückblickend ließen die Fragen sich beantworten. 1988 ging der Arzt und Forscher Bert Vogelstein an der Johns Hopkins Medical School in Baltimore daran, anhand menschlicher Proben eine Reihe von genetischen Veränderungen zu beschreiben, die eine Voraussetzung für Krebs waren. Das Unterfangen beschäftigte Vogelstein in unterschiedlichen Ausprägungen fast zwanzig Jahre lang.
    Vogelstein ging von der Beobachtung aus, die George Papanicolaou und Oscar Auerbach in den fünfziger Jahren gemacht hatten. Beide hatten, an unterschiedlichen Krebsarten, festgestellt, dass Krebs nicht direkt aus einer normalen Zelle entsteht, sondern häufig lange Zeit dahinschleicht und dabei diverse Übergangsstadien von der ganz normalen bis zur eindeutig malignen Zelle durchläuft. Jahrzehnte bevor sich der Gebärmutterkrebs zu seiner aggressiv invasiven Erscheinungsform entwickelt, sind Windungen nichtinvasiver präkanzeröser Zellen im Gewebe zu beobachten, die gerade die ersten Schritte auf dem grausigen Vormarsch zum Krebs machen. (Beim Pap-Test geht es genau darum: das präkanzeröse Stadium zu identifizieren und zu beseitigen, bevor das Karzinom entsteht und sich ausbreitet.) Ähnlich hatte Auerbach lange vor Ausbruch eines Lungenkarzinoms präkanzeröse Zellen in der Lunge von Rauchern festgestellt. Auch Dickdarmkrebs durchläuft bei seiner Entwicklung verschiedene Stadien, von der nichtinvasiven prämalignen Läsion, dem so genannten Adenom (Darmpolypen), bis hin zum Endstadium, dem hoch invasiven Karzinom.
    Vogelstein studierte diesen Verlauf am Beispiel von Dickdarmkrebs. Er sammelte Proben von Patienten aus jedem Stadium eines Kolorektalkarzinoms. Dann stellte er eine Serie von vier menschlichen Krebsgenen zusammen – Onkogene und Tumorsuppressoren – und prüfte jedes Krebsstadium in seinen Proben danach, ob diese vier Gene aktiviert beziehungsweise inaktiviert waren. *
    *   1988 war nur die genaue Identität eines Gens – Ras – bekannt. Die drei anderen standen im Verdacht, Antionkogene zu sein, aber identifiziert wurden sie erst später.
    Angesichts der Heterogenität jeder

Weitere Kostenlose Bücher