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Der Koenig aller Krankheiten - Krebs, eine Biografie

Der Koenig aller Krankheiten - Krebs, eine Biografie

Titel: Der Koenig aller Krankheiten - Krebs, eine Biografie
Autoren: Mukherjee Siddhartha
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die Geschichte erzählt, ist real. Dieser Mann war der erste Patient in meiner Obhut, der während meiner fachärztlichen Ausbildung in Onkologie am Massachusetts General Hospital starb.
    Medizin, sagte ich, beginnt mit dem Erzählen von Geschichten. Patienten erzählen, um Krankheit zu beschreiben; Ärzte erzählen, um sie zu verstehen. Die Wissenschaft erzählt eine eigene Geschichte, um Krankheiten zu erklären. Diese Geschichte von der Entstehung eines Karzinoms – von Karzinogenen, die Mutationen in zellinternen Genen auslösen, was zu Signalkaskaden in Zellen führt, die daraufhin Zyklen von Mutation, Selektion und Überleben durchlaufen – stellt den überzeugendsten Überblick dar, den wir von der Geburt des Krebses haben.
    Im Herbst 1999 nahm Robert Weinberg 5 an einem Kongress von Krebsbiologen in Hawaii teil. An einem Spätnachmittag wanderte er mit seinem Kollegen Douglas Hanahan durch die Lavafelder der niedrigen schwarzen Berge, bis sie vor dem Krater eines Vulkans standen und hinabstarrten. In ihrem Gespräch schwang viel Frustration mit. Zu lange, schien es, hatte man über den Krebs gesprochen, als wäre er ein heillos chaotisches Sammelsurium. Die biologischen Charakteristika von Tumoren wurden als derart facettenreich beschrieben, dass sie sich jeder glaubhaften Gliederung widersetzten. Es schien keine strukturierenden Regeln zu geben.
    Aber die Entdeckungen der vergangenen zwei Jahrzehnte ließen vermuten, dass es sehr wohl Regeln und Gesetze gab. Biologen, die dem Krebs direkt in den Rachen blickten wie in den Krater eines Vulkans, konnten nun sehen, dass sich tief unter der unglaublichen Vielgesichtigkeit von Krebs übereinstimmende Verhaltensweisen, Gene und Signalwege verbargen. Im Januar 2000, 6 wenige Monate nach der gemeinsamen Vulkanwanderung, veröffentlichten Weinberg und Hanahan unter dem Titel »The Hallmarks of Cancer« (»Die Kennzeichen von Krebs«) einen Artikel, in dem sie diese Regeln zusammenfassten. Es war eine ehrgeizige, wegweisende Arbeit, die nach einem Umweg von fast hundert Jahren zu Boveris Begriff von einer »gemeinsamen Ursache von Tumoren« zurückkehrte:
    »Es wird hier um die Regeln gehen, 7 die der Umwandlung normaler menschlicher Zellen in malignen Krebs zugrunde liegen. Wir meinen, dass die Forschung in den letzten Jahrzehnten eine kleine Anzahl molekularer, biochemischer und zellulärer Eigenschaften – erworbener Fähigkeiten – aufgedeckt hat, die den meisten, vielleicht allen Formen von menschlichem Krebs gemeinsam sind.«
    Wie viele »Regeln« konnten Weinberg und Hanahan also formulieren, um das grundlegende Verhalten von über hundert eindeutig verschiedenen Tumorarten und -unterarten zu erklären? Die Frage war von verwegenem Umfang, die Antwort von noch verwegenerer Knappheit: sechs. »Wir meinen, dass das umfassende Spektrum der Genotypen von Krebszellen eine Manifestation von sechs grundlegenden Veränderungen in der Physiologie der Zelle ist, die gemeinsam malignes Wachstum diktieren.«
     
    1.  Autarkie in den Wachstumssignalen: Durch Aktivierung von Onkogenen wie Ras oder Myc eignen sich Krebszellen einen eigenständigen Vermehrungstrieb an – pathologische Mitose.
    2.  Unempfänglichkeit gegenüber wachstumshemmenden Signalen: Krebszellen inaktivieren Tumorsuppressorgene wie Retinoblastom ( Rb ), die im Normalfall das Wachstum blockieren.
    3.  Umgehung des programmierten Zelltods (Apoptose): Krebszellen unterdrücken und inaktivieren Gene und Signalwege, die Zellen im Normalfall sterben lassen.
    4.  Grenzenloses Fortpflanzungspotential: Krebszellen aktivieren spezifische Signalwege in den Genen, die sie noch nach generationenlangem Wachstum unsterblich machen.
    5.  Anhaltende Angiogenese: Krebszellen eignen sich die Fähigkeit an, sich eine eigene Blutversorgung und eigene Blutgefäße zuzulegen – die Tumorangiogenese.
    6.  Gewebeinvasion und Metastasierung: Krebszellen eignen sich die Fähigkeit an, in andere Organe zu wandern, in andere Gewebe einzudringen und sie zu besiedeln, so dass sie sich im ganzen Körper ausbreiten.
     
    Bemerkenswerterweise, schrieben Weinberg und Hanahan, seien diese sechs Regeln keine abstrakten Beschreibungen des Verhaltens von Krebs. Von den Genen und Signalwegen, die diese sechs Verhaltensweisen erst ermöglichten, seien viele konkret identifiziert worden – Ras , Myc , Rb , um nur einige zu nennen. Die nächste Aufgabe sei es nun, das kausale Verständnis von der grundlegenden Biologie des Krebses mit
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