Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
ihn aus der festesten
Burg herausholen.«
    »Er hatte zween Burgen«, sagte Agravaine stolz. »Das Castle
Tintagil und das Castle Terrabil.«
    »Der Graf von Cornwall brachte also unsre Oma nach
Tintagil, und er selber ging nach Terrabil, und König Uther Pendragon kam und
belagerte sie.«
    »Und da«, rief Gareth, der nicht mehr an sich halten
konnte, »schlug der König viele Zelte auf, und es gab einen großen Krieg, und
viele Menschen wurden getötet!«
    »Tausend?« gab Gaheris zu vermuten.
    »Mindestens zweitausend«, sagte Agravaine. »Wir Gälen tun’s
nicht unter zweitausend. Im Ernst: wahrscheinlich war’s eine Million.«
    »Unser Großvater und unsre Oma trotzten also der
Belagerung, und es sah so aus, als würde König Uther entsetzlich geschlagen, da
kam ein böser Zauberer mit Namen Merlin – «
    »Ein Magier«, sagte Gareth.
    »Und dieser Magier – kaum zu fassen! – brachte den
tückischen Uther Pendragon mit Hilfe seiner teuflischen Künste in Omas Burg.
Opa machte sofort einen Ausfall von Terrabil, aber er wurde im Kampf getötet –
«
    »Verrat!«
    »Und die arme Gräfin Cornwall – «
    »Die keusche und schöne Igraine – «
    »Unsere Oma – «
    » – wurde von dem schwarzhaarigen englischen treulosen
Drachenkönig gefangengenommen. Und obwohl sie schon drei hübsche Töchter hatte
– «
    »Die liebenswerten Cornwall Sisters.«
    »Tante Elaine.«
    »Tante Morgan.«
    »Und Mami.«
    »Und obwohl sie diese liebreizenden Töchter hatte, wurde
sie gezwungen, den König von England zu heiraten – den Kerl, der ihren Mann
umgebracht hatte.«
    Überwältigt von solchem dénouement, bedachten sie
stumm die unglaubliche englische Verruchtheit. Es war die Lieblingsgeschichte
ihrer Mutter, wenn sie – was selten genug vorkam – ihnen etwas erzählte, und
sie kannten die story auswendig. Schließlich zitierte Agravaine ein
gälisches Sprichwort, das sie ihnen beigebracht hatte.
    »Vier Dingen«, flüsterte er, »darf ein Lothier nicht
trauen: dem Horn einer Kuh, dem Huf eines Pferdes, dem Knurren eines Hundes und
dem Lachen eines Engländers.«
    Ihnen war nicht ganz geheuer, als sie sich im Stroh
bewegten und auf die geheimnisvollen Geräusche im darunterliegenden Räume
lauschten.
    Das Zimmer unter den Geschichtenerzählern wurde von einer
einzelnen Kerze und dem safrangelben Lichtschein eines Torffeuers erhellt. Für
ein königliches Gemach war’s recht armselig, doch hatte es zumindest ein Bett:
ein gewaltiges Himmelbett, das tagsüber als Thron benutzt wurde. An einem
Dreifuß hing ein eiserner Kessel über dem Feuer. Die Kerze stand vor einer
polierten Messingplatte, die als Spiegel diente. Zwei Lebewesen befanden sich
in dem Gemach: eine Königin und eine Katze. Beide hatten schwarze Haare und
blaue Augen.
    Die Katze lag vor dem Feuer hingestreckt auf der Seite, als
wäre sie tot. Ihre Beine waren zusammengebunden wie die Läufe einer Ricke, die
von der Jagd heimgetragen wird. Sie hatte den Kampf aufgegeben; resigniert lag
sie da und starrte mit zusammengekniffenen Augen und bebenden Flanken ins
Feuer. Vielleicht war sie erschöpft und am Ende – denn Tiere wissen, wann es
keinen Zweck mehr hat. Die meisten besitzen, wenn’s ans Sterben geht, eine
Würde, die dem Menschen versagt ist. Diese Katze, in deren schrägen Augen
kleine Flammen tanzten, ließ vielleicht ihre vergangenen acht Leben an sich
vorüberziehen und betrachtete sie mit dem Stoizismus des Tieres – jenseits von
Hoffnung und Furcht.
    Die Königin hob die Katze auf. Sie wollte eine allbekannte
Zauberei ausprobieren, um sich zu verlustieren oder sich zumindest die Zeit zu
vertreiben, solange die Männer im Kriege waren. Es war eine Methode, sich unsichtbar
zu machen. Die Dame war keine ernsthafte Hexe wie ihre Schwester Morgan le
Fay; ihr Kopf war zu leer, um irgendeine große Kunst ernst nehmen zu können,
und sei es auch nur die Schwarze. Sie tat es, weil ihr, wie allen Frauen ihrer
Rasse, die kleinen Zaubereien im Blut lagen.
    Im kochenden Wasser des Kessels bäumte sich die Katze auf
und stieß einen schrecklichen Schrei aus. Ihr nasses Fell bog sich im Dampf und
schimmerte wie die Flanke eines gespeerten Wals, da sie mit gebundenen Füßen zu
springen oder zu schwimmen versuchte. Ihr Maul öffnete sich gräßlich und zeigte
den rosigen Schlund und die scharfen, weißen, dornigen Katzenzähne. Nach dem
ersten Aufschrei konnte sie keinen Laut mehr von sich geben, streckte nur noch
die Pfoten. Dann war sie tot.
    Königin

Weitere Kostenlose Bücher