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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Morgause von Lothian und Orkney saß neben dem
Kessel und wartete. Gelegentlich bewegte sie die Katze mit einem hölzernen
Löffel. Der Gestank kochenden Fells füllte den Raum. Ein heimlicher Beobachter
hätte im Flackerschein des Torffeuers ein exquisites Geschöpf zu Gesicht bekommen:
ihre Augen waren tief und dunkel und groß, ihr Haar glänzte in schwarzer Pracht,
ihr Körper war üppig, und mit kaum wahrnehmbarer Wachsamkeit lauschte sie auf
das Geflüster im darüberliegenden Raum.
     
    Gawaine
sagte: »Rache!«
    »Sie hatten König Pendragon nichts zuleid getan.«
    »Sie wollten nur in Ruh’ gelassen werden.«
    Gareth peinigte der Gedanke an den unfairen Raub ihrer
Großmutter – das Bild schwacher und unschuldiger Menschen, Opfer einer
übermächtigen Tyrannei, der alten Tyrannei der Gallier, die jeder Kleinbauer
auf den Inseln als persönliche Schmach empfand. Gareth war ein großmütiger
Junge. Stärke gegen Schwäche: diese Vorstellung war ihm zuwider. Er ertrug es nicht – ihm war, als müsse er ersticken. Gawaine
jedoch war wütend, weil es seine Familie getroffen hatte. Er hielt es nicht für
falsch oder schlecht, daß die Stärke obsiegte; es ging nur unter keinen
Umständen an, daß sein eigener Clan besiegt wurde. Er war weder schlau noch
empfindsam, aber er war loyal – bisweilen halsstarrig, und in seinem späteren
Leben auf geradezu ärgerliche und törichte Weise bockig und stur. Für ihn hieß
es allzeit: Up Orkney, Right or Wrong. Dem dritten Bruder, Agravaine,
ging die Sache zu Herzen, weil sie seine Mutter betraf. Er hatte eine
sonderbare Einstellung zu seiner Mutter, die er jedoch für sich behielt. Und
was Gaheris anging: der fühlte und dachte wie die anderen.
     
    Die Katze war zerfallen. Das lange Kochen hatte das Fleisch
gelöst und zerfasert, bis nur noch dicker, haariger Schaum und Fett und Fetzen
im Kessel schwammen. Darunter drehten sich die weißen Knöchelchen im sprudelnden
Wasser; die schweren Knochen lagen still auf dem Grund, und die Häutchen hoben
sich anmutig wie Blätter im Herbstwind. Die Königin rümpfte ein wenig die Nase
ob des Gestanks dieser ungesalzenen Brühe und seihte die Flüssigkeit in einen
zweiten Topf. Auf dem Seihtuch blieb ein Katzen-Bodensatz, eine teigige Masse
aus verfilztem Haar und Fleischfetzen und zarten Knochen. Sie blies auf die
Ablagerung und wendete sie mit dem Löffelgriff, um das Abkühlen zu
beschleunigen. Hernach konnte sie das schmierige Gewölle mit den Fingern
sortieren.
    Die Königin wußte, daß jede rein-schwarze Katze einen
bestimmten Knochen hatte, der einen unsichtbar machen konnte, wenn man ihn in
den Mund nahm, nachdem die Katze bei lebendigem Leibe gekocht worden war. Indes
wußte niemand genau – nicht einmal zur damaligen Zeit – , welcher Knochen das
war. Deshalb mußte die Zauberei vor einem Spiegel stattfinden, damit der
richtige experimentell gefunden werden konnte.
    Eigentlich gelüstete es Morgause gar nicht nach
Unsichtbarkeit – nein: normalerweise wäre ihr das höchst zuwider gewesen, denn
schließlich war sie schön. Aber die Männer waren fort. Um überhaupt etwas zu
tun, betrieb sie diese einfache und allbekannte Zauberei. Außerdem gab diese
ihr einen Grund, ausgiebig vor dem Spiegel zu verweilen.
    Die Königin kratzte die Überbleibsel ihrer Katze zu zwei
Häufchen zusammen; auf der einen Seite lagen säuberlich die warmen Knochen,
auf der anderen diverse sanft dampfende Rückstände. Dann wählte sie einen Knochen
aus und hob ihn an die roten Lippen, wobei sie ihren kleinen Finger abspreizte.
Sie hielt das Knöchlein zwischen den Zähnen, stand vor dem polierten
Messingblech und betrachtete sich mit schläfrigem Wohlgefallen. Sie warf den
Knochen ins Feuer und ergriff einen anderen.
    Es war niemand da, der sie hätte sehen können. Unter diesen
Umständen war es verwunderlich, wie sie sich wendete und drehte, vom Spiegel
zum Knochenhaufen, und immer wieder einen neuen Knochen in den Mund steckte und
sich betrachtete, um zu sehen, ob sie verschwunden sei, und den Knochen dann
fortwarf. Sie bewegte sich so anmutig, als tanze sie – als sei wirklich jemand
da, der ihr zusah. Vielleicht aber genügte es ihr auch, sich selbst zu sehen.
    Schließlich verlor sie, noch ehe sie alle Knochen probiert
hatte, jegliches Interesse. Die letzten fegte sie ungeduldig ins Feuer, und die
pelzige Masse kippte sie achtlos aus dem Fenster. Hernach deckte sie das Feuer
ab und streckte sich mit einer räkelnden Bewegung auf

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