Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
die Taube
gegeben.«
    Hob machte eine Verbeugung vor Merlin, der sie höflich
erwiderte. Sie sahen sich mit echter Zuneigung an, wohl wissend, daß sie
Meister ihres Faches waren. Sobald sich die Gelegenheit ergäbe, würden sie
unter vier Augen über Falknerei sprechen, wenn auch Hob von Natur aus ein
schweigsamer Mensch war. Bis dahin mußten sie halt warten.
    »Oh, Kay«, rief Wart, als jener mit dem Kindermädchen
und anderen zur fröhlichen Begrüßung erschien. »Sieh mal, ich hab’ einen
Zauberer als Hauslehrer. Er hat einen Senfnapf, der laufen kann.«
    »Ich freu’ mich, daß du wieder da bist«, sagte Kay.
    »O weh, wo habt Ihr denn geschlafen, Master Art?«
rief das Kindermädchen aus. »Eure saubere Joppe ist völlig verschmutzt und
zerrissen. Ihr habt uns vielleicht Sorgen gemacht! Na, ich weiß nicht, nun
kuckt Euch doch bloß mal Eure armen Haare an: lauter Zweigzeugs drin. Ach, mein
verirrtes böses kleines Schäfchen.«
    Sir Ector kam herbeigestürmt, die Beinschienen verkehrt
herum angeschnallt, und küßte Wart auf beide Wangen. »So, so, so«, äußerte er
feucht. »Sind wir also wieder da, wie? Was haben wir denn getrieben,
Teufelnoch-eins, wie? Den ganzen Haushalt auf den Kopf zu stellen.«
    Insgeheim jedoch war er stolz auf »die Warze«;
wegen eines Habichts hatte das Bürschchen die Nacht im Freien zugebracht, und
die Hauptsache: er hatte ihn gekriegt; denn Hob hielt die ganze Zeit den Vogel
hoch, so daß jedermann ihn sehen konnte.
    »Ach, Sir«, sagte Wart, »ich bin auf der Hohen
Suche nach einem Tutor gewesen, wie Ihr gesagt habt, und ich hab’ ihn gefunden.
Bitte, das ist dieser Herr hier, und er heißt Merlin. Er hat Dachse und Igel
und Mäuse und Ameisen und all so was auf seinem weißen Esel, weil er sie doch
nicht zurücklassen konnte, sonst wären sie verhungert. Er ist ein großer
Zauberer und kann machen, daß alles mögliche aus der Luft kommt.«
    »So, ein Zauberer«, sagte Sir Ector, setzte seine
Brille auf und betrachtete Merlin von nahem. »Ein Magier. Sieh an. Weiße Magie,
hoffe ich?«
    »Aber gewiß«, sagte Merlin, der geduldig in der
Menge stand, die Arme in seinem Zaubermantel verschlungen, während Archimedes
steif und hoch aufgerichtet auf seinem Kopfe saß.
    »Sollt’ ein paar Zeugnisse haben«, sagte Sir Ector mißtrauisch.
»Ist so Usus.«
    »Zeugnisse«, sagte Merlin und streckte die Hand
aus.
    Sogleich lagen ein paar schwarze Täfelchen darin,
unterzeichnet von Aristoteles, ein Pergament, unterschrieben von Hekate, und
einige maschinengeschriebene Durchschläge, signiert vom Herrn der
Dreieinigkeit, der sich nicht erinnern konnte, ihm begegnet zu sein. All diese
Dokumente bescheinigten Merlin einen ganz exzellenten Ruf.
    »Die hat er im Ärmel gehabt«, sagte Sir Ector, der
sich durch nichts so leicht verblüffen ließ. »Könnt Ihr sonst noch was?«
    »Baum«, sagte Merlin. Sofort wuchs mitten auf dem
Burghof ein gewaltiger Maulbeerbaum, dessen köstliche blaue Früchte kurz vor
dem Herabfallen waren. Dies war vor allem deshalb höchst bemerkenswert, weil
die Maulbeere ja erst zu Cromwells Zeiten bekannt wurde.
    »Das macht man mit Spiegeln«, sagte Sir Ector.
    »Schnee«, sagte Merlin. »Und einen Schirm«, setzte
er flugs hinzu.
    Ehe sie sich umdrehen konnten, hatte der kupferne
Sommerhimmel eine kalte und drohende Bronzefärbung angenommen, und zugleich
schwebten die größten weißen Flocken um sie her, die man je gesehen hat, und
ließen sich auf den Zinnen nieder. Ehe sie noch etwas sagen konnten, war ein
Zoll Schnee gefallen, und alle zitterten in der winterlichen Kälte. Sir Ectors
Nase war blau, und von ihrer Spitze hing ein Eiszapfen herab, und außer Merlin
trugen alle ein Schneepolster auf den Schultern. Merlin stand in der Mitte und
hielt seinen Schirm wegen der Eule ganz hoch über dem Kopf.
    »Das macht man durch Hypnose«, sagte Sir Ector mit
klappernden Zähnen. »Wie die Wallahs in Indien. – Aber das reicht«, fügte er
hastig hinzu, »das reicht voll und ganz. Ich bin sicher, daß Ihr diesen Jungens
ein ausgezeichneter Hauslehrer sein werdet.«
    Sofort hörte es auf zu schneien, und die Sonne kam
hervor – »Da soll man denn keine Lungen-Zündung kriegen«, sagte das
Kindermädchen, »und dann erst Rheuma und all das« –, während Merlin seinen
Schirm zusammenklappte und ihn der Luft überreichte, die ihn entgegennahm.
    »Stellt euch bloß vor: Der Junge geht ganz allein
auf so eine Aventiure!« plapperte Sir Ector. »So, so, so. Die

Weitere Kostenlose Bücher