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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Verteidigungsanlage. Befand man
sich erst einmal innerhalb des Zwischenwalls, stand man auf einer Art breiter
Allee, wahrscheinlich voll verängstigter Schafe, und hatte das eigentliche
Schloß vor sich, die Hauptburg. Ihre acht riesigen Rundtürme stehen noch heute.
Es ist ein Erlebnis, den höchsten zu besteigen und die Grenzmark zu betrachten,
von der vormals Gefahr drohte; man liegt dort oben genüßlich, hat nur die Sonne
über sich und die kleinen Touristen tief unter sich und braucht sich um Pfeile
und kochendes Öl nicht zu sorgen. Seit vielen Jahrhunderten steht dieser
uneinnehmbare Turm nun schon. Durch Erbteilung hat er häufig den Besitzer
gewechselt, einmal durch Belagerung, zweimal durch Verrat, nie jedoch wurde er
im Angriff genommen. Auf diesem Turm hockte der Ausguck. Von hier aus hielt er
Wacht über die Blauen Wälder gen Wales. Seine gebleichten Gebeine liegen jetzt
unter der Kapelle.
    Wenn man nicht schwindlig ist und hinabblickt (die
Gesellschaft zur Erhaltung von diesem und jenem hat ein ausgezeichnetes
Geländer angebracht, so daß man nicht hinunterfällt), dann sieht man die ganze
Anatomie des Innenhofes wie auf einer Landkarte unter sich ausgebreitet. Man
sieht die Kapelle, jetzt ihrem Gotte ganz geöffnet, und die Fenster des Palas,
der großen Halle, mit dem Söller darüber. Man sieht die hohen Kaminkästen mit
den klug ausgetüftelten, in sie hineinführenden Seitenzügen und die kleinen
privaten (jetzt öffentlichen) Kabinette und die ungeheure Küche. Wer Sinn für
so etwas hat, bringt Tage hier zu, vielleicht sogar Wochen, und entdeckt für
sich, wo einst die Ställe waren, die, Vogelkäfige, der Viehpferch, die
Rüstkammer, die Futterböden, der Brunnen, die Schmiede, der Zwinger, die
Unterkünfte der Reisigen, die Wohnung des Priesters und die Kemenaten des
Burgherrn und der Herrin. Dann wird alles um einen her wieder zu neuem Leben
erweckt. Die kleinen Menschen – sie waren kleiner als wir, und die meisten von
uns hätten heutzutage alle Mühe, in die paar noch erhalten gebliebenen
Rüstungen und alten Handschuhe hineinzukommen – bewegen sich geschäftig in der
Sonne, die Schafe blöken, wie sie es seit eh und je tun, und vielleicht kommt
von Wales her das Fffff-pfiitt des dreigefiederten Pfeils, der aussieht, als
hätte er sich nie bewegt.
    Für einen Jungen war diese Burg natürlich ein
Paradies. Wart lief drin herum wie ein Kaninchen in seinem komplizierten
Labyrinth. Er kannte alles, überall; sämtliche Gerüche, alle guten
Kletterpartien, weichen Lagerstätten, geheimen Versteckplätze, Sprünge,
Rutschen, Winkel, Ecken, Kammern und Wonnen. Für jede Jahreszeit hatte er den
rechten Platz, genau wie eine Katze, und er tobte und schrie und rannte und
kämpfte und erschreckte die Leute und döste und machte Wirbel und tagträumte
und spielte ›Ritter‹ – ohn Unterlaß.
    Grad eben war er im Zwinger.
    Anno dazumal hatte man beim Abrichten eines Hundes
etwas ganz anderes im Sinn als heute. Liebe stand höher im Kurs als Strenge.
Man stelle sich einen M. F. H. vor (einen Hunde-Meister), der seine Hunde mit
ins Bett nimmt. Doch Flavius Arrianus sagt: »Es ist das allerbeste, wenn sie
mit einem Menschen schlafen können, weil es sie menschlicher macht und weil sie
sich menschlicher Gesellschaft erfreuen; man weiß dann auch, ob sie eine
schlechte Nacht gehabt haben oder innerlich uneins sind, und verwendet sie am
folgenden Tage also nicht zur Jagd.«
    Sir Ector hatte einen besonderen Wärter für seinen
Zwinger, einen Dog Boy – den Hunde-Jungen, der Tag und Nacht bei den
Hunden war. Er war eine Art Leithund, und seine Aufgabe war es, sie jeden Tag
auszuführen, ihnen Dornen aus den Pfoten zu ziehen, ihre Ohren von Brand
freizuhalten, ihnen die Knochen zu schienen, wenn sie sich verrenkt hatten,
ihnen ein Mittel gegen Würmer einzutrichtern, falls das erforderlich war, sie
bei Staupe zu isolieren und zu pflegen, Streitigkeiten zu schlichten und zur
Nacht bei ihnen zu schlafen, zusammengerollt und hunde-gleich.
    Man gestatte mir ein weiteres Zitat. Der Duke of
York, der bei Agincourt getötet wurde, beschrieb in seinem ›Master of Game‹
einen solchen Jungen folgendermaßen: »Auch will ich das Kind lehren, zweimal
des Tags die Hunde auszuführen, des Morgens und des Abends, wo die Sonne am
Himmel steht, insonderheit im Winter. Dann sollen sie in der Sonne auf der
Wiese laufen und spielen, und dann ist ein Hund nach dem anderen zu kämmen und
mit einem großen Büschel

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