Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
seines Speers dagegen, bis der Boden herausfiel. Dann
verharrte er mit der Dame still im Wald, der nach dem entsetzlichen Getöse vor
Schreck verstummt zu sein schien.
    Niemand
kam.
    »Sein
Schloß ist dort drüben«, sagte die Dame.
    Schweigend
ritten sie vors Burgtor und warteten eine halbe Stunde. Lanzelot nahm seinen
Helm ab und zog sich die Stulphandschuhe aus, runzelte die Stirn und kaute
ungeduldig auf den Fingernägeln.
    Als
eine halbe Stunde verstrichen war, kam ein gigantischer Ritter durch den Wald
geritten. Er sah Sir Carados – dem Ritter, den er bei Gawaines Rettung
erschlagen hatte – derart ähnlich, daß Lanzelot erschrak. Er hatte nicht nur
die gleiche Statur, sondern schleppte ebenfalls einen gefesselten Ritter mit
sich, der quer über dem Sattelknauf seines Gauls lag. Am seltsamsten war, daß
der Schild des gebundenen Ritters die drei Disteln und den Sparren zeigte, mit
einem roten Feld. Tatsächlich: der zweite der riesigen Ritter hatte Gaheris
gefangengenommen, den Bruder von Gawaine. Lanzelot beobachtete ihn kritisch.
    Es
sollte vielleicht angemerkt werden, daß ein guter Stilkenner einen Ritter
häufig auch dann erkannte, wenn dieser verkleidet war und den vergescu trug.
Im späteren Leben mußte Lanzelot bisweilen in Verkleidung kämpfen, weil sonst
niemand gegen ihn angetreten wäre. Und doch erkannten ihn Arthur und andere
gewöhnlich an seiner Reithaltung. Heutzutage können die Leute gewisse
Kricketspieler erkennen, selbst wenn sie deren Gesicht wegen der Entfernung
noch nicht sehen; und so ähnlich war’s damals auch.
    Lanzelot
war, dank seinem langen Training, zu einem ausgezeichneten Stilexperten
geworden. Kaum hatte er Sir Turquine ins Auge gefaßt, da konstatierte er eine
leichte Schwäche im Sitz. Er flüsterte der Dame zu, daß es ihm – falls Turquine
nicht besser sitze – wohl schon gelingen werde, die gefangenen Ritter zu
befreien. Wie sich herausstellte, saß Turquine tadellos, als es zum
Lanzenstechen kam. Die Detailkritik erwies sich als hinfällig – doch sie wirft
ein Schlaglicht auf das Tjostieren und ist deshalb vielleicht der Erwähnung
wert.
    Auf
das Reiten kam’s an. Hatte ein Mann den Mut, im letzten Moment vor dem
Zusammenprall sich mit voller Wucht in den Galopp zu werfen, war ihm der Sieg
gemeinhin sicher. Die meisten zögerten ein klein wenig, so daß sie nicht den
größtmöglichen Schwung hatten. Aus diesem Grunde gewann Lanzelot stets seine
Tilten. Er hatte das, was Onkel Dap é lan nannte. War er verkleidet, so
ritt er bisweilen absichtlich unbeholfen an, lässig im Sattel hoppelnd. Im
allerletzten Augenblick jedoch kam jedesmal das Losjagen, so daß die Zuschauer,
und häufig auch sein armer Gegner, aufschrien: »Ah, Lanzelot!« – noch ehe die
Lanze ihr Ziel traf.
    »Edler
Ritter«, sagte er, »legt den Verwundeten nieder und laßt ihn eine Weile ruhn.
Dann können wir beide unsre Kräfte messen.«
    Sir
Turquine ritt auf ihn zu und sagte durch die Zähne: »Wenn Ihr ein Ritter der
Tafelrunde seid, wird es mir ein Vergnügen sein, Euch zuerst aus dem Sattel zu
heben und hernach zu verprügeln. Desgleichen würde ich mit Eurer gesamten
Tafelrunde verfahren.«
    »Ihr
habt Euch nicht wenig vorgenommen.«
    Dann
zogen sie sich, wie üblich, auf ihre Ausgangspositionen zurück, legten die
Speere ein und gingen wie ein Donnerwetter aufeinander los. Im letzten
Augenblick bemerkte Lanzelot, daß er sich, was Turquines Sitz anging,
beträchtlich getäuscht hatte. Turquine war der beste Tilter, dem er je begegnet
war; er kam mit demselben Schwung an wie er selber, und seine Lanzenhaltung war
absolut sicher.
    Die
Ritter duckten sich und visierten ihr Ziel an; die Speere prallten im selben
Moment auf; die Pferde, in vollem Lauf gezügelt, bäumten sich und überschlugen
sich rücklings; die Speere zersplitterten und flogen hoch in die Luft, wo sie
lustig umherwirbelten, wie von einer gewaltigen Explosion in den Himmel gejagt.
Die Dame auf dem Zelter wandte die Augen ab. Als sie wieder hinschaute, lagen
beide Gäule mit gebrochenem Rückgrat am Boden, und die Ritter rührten sich
nicht.
    Zwei
Stunden später kämpften Lanzelot und Turquine noch immer, jetzt mit dem
Schwert.
    »Halt«,
sagte Turquine. »Ich möchte mit Euch reden.« Lanzelot hielt inne.
    »Wer
seid Ihr?« fragte Sir Turquine. »Ihr seid der beste Ritter, mit dem ich jemals
gekämpft habe. Nie sah ich einen Mann mit solch langem Atem. Ich habe
vierundsechzig Gefangene auf meiner Burg, und mehrere

Weitere Kostenlose Bücher