Der König auf Camelot
vermissen sie mich unten.«
Selbstverständlich
wollte sie der Zauber-Königin von Northgalis nicht behilflich sein, Sir
Lanzelot gefangenzuhalten – wenn ausgerechnet der König von Northgalis gegen
ihren Vater kämpfte.
Am
Morgen, ehe die Schloßbewohner sich erhoben, hörte Lanzelot, wie sich die
schwere Tür leise öffnete. Eine weiche Hand legte sich in die seine, und er
wurde hinausgeführt in die Dunkelheit. Sie durchschritten zwölf magische Türen,
bis sie in die Rüstkammer gelangten, und hier lag seine eigene Rüstung bereit,
vollständig, blitzblank. Als er sie angelegt hatte, gingen sie zum Stall, und
da stand sein Streitroß und schlug ungeduldig Funken aus den Pflastersteinen.
»Denkt
daran.«
»Natürlich«,
sagte er. Und er ritt hinaus über die Zugbrücke ins Morgenlicht.
Während
sie durch die Gänge von Castle Chariot geschlichen waren, hatten sie einen
Treffpunkt verabredet. Lanzelot sollte zu einem nahegelegenen Kloster der
weißen Mönche reiten und dort das Fräulein erwarten, das nun natürlich vor
Königin Morgan fliehen mußte, nachdem es ihn heimlich freigelassen hatte. In
diesem Kloster wollten sie sich aufhalten, bis auch König Bagdemagus zur Stelle
sein würde, und dann wollte man die Vorbereitungen für das Turnier treffen.
Unglücklicherweise lag das Castle Chariot im Forest Sauvage, und Lanzelot
konnte das Kloster nicht finden. Er und sein Pferd irrten den ganzen Tag umher,
prallten gegen Äste, verfingen sich in Brombeergestrüpp und wurden beide recht
unwirsch. Gegen Abend stießen sie auf ein rotes Zelt. Es war niemand darin.
»Das
ist aber ein sonderbares Zelt«, sagte er bekümmert vor sich hin, denn in
Gedanken war er bei Ginevra. »Doch ich werde hier wohl übernachten können.
Entweder dient es zu irgendeinem Abenteuer, wozu ich gerne bereit bin, oder die
Besitzer sind auf Urlaub gegangen, und in diesem Fall werden sie mir’s nicht
verübeln, wenn ich hier für eine Nacht Unterschlupf suche. Wie dem auch sei:
ich habe mich verirrt, und mir bleibt gar nichts andres übrig.«
Er
nahm seinem Pferd das Geschirr ab und legte ihm Fußfesseln an. Dann entledigte
er sich seiner Rüstung und hängte sie ordentlich an einen Baum, den Schild
zuoberst. Danach aß er von dem Brot, mit dem das Mädchen ihn versorgt hatte,
trank Wasser aus dem Bach, der am Zelt vorbeifloß, reckte seine Arme, bis die
Ellbogen knackten, gähnte, schlug dreimal mit der Faust gegen seine
Schneidezähne und ging zu Bett. Die Lagerstatt war gar prächtig und hatte,
passend zum Zelt, eine mit rotem Zindelsaft gefärbte Decke. Lanzelot wickelte
sich hinein, drückte seine Nase ins Seidenkissen, küßte es in Gedanken an
Ginevra und fiel sogleich in tiefen Schlaf.
Als
er erwachte, schien der Mond, und auf seinem linken Fuß saß ein nackter Mann,
der sich die Fingernägel säuberte.
Lanzelot,
jäh aus seinem Liebestraum gerissen, fuhr auf im Bett, als er das Gewicht des
Mannes spürte. Der Mann, durch diese unvermutete Bewegung seinerseits
verschreckt, sprang auf und griff nach seinem Schwert. Lanzelot sprang auf der
anderen Seite aus dem Bett und lief zu dem Baum, an dem seine Waffen hingen.
Der Mann kam hinter ihm hergelaufen, schwang die Klinge und versuchte, von
hinten einen Hieb anzubringen. Lanzelot erreichte den Baum unverletzt, nahm
sein Schwert und stellte sich dem Gegner. Sie boten ein unglaubliches Bild,
phantastisch und furchterregend: beide waren splitternackt, und ihre Schwerter
glänzten silbern im Licht des Herbstmonds.
»So«,
schrie der Mann und holte zu einem kraftvollen Schlag aus, gegen , Lanzelots
Beine. Im nächsten Moment jedoch hatte er das Schwert fallen lassen, hielt sich
mit beiden Händen den Bauch und stürzte gekrümmt und kreischend zu Boden. Aus
der Wunde, die Lanzelot ihm beigebracht hatte, quoll Blut, das im Mondschein
schwarz aussah, und etwas vom geheimen Innenleben des Bauches wurde sichtbar.
»Erschlagt
mich nicht«, rief der Mann. »Gnade. Erschlagt mich nicht. Ihr habt mich
getötet.«
»Das
tut mir leid«, sagte Lanzelot. »Ihr habt nicht einmal gewartet, bis ich mein
Schwert zur Hand hatte.«
Der
Mann jammerte weiter. »Gnade! Gnade!«
Lanzelot
stieß sein Schwert in die Erde und machte sich daran, die Wunde zu examinieren.
»Ich
werd’ Euch nichts tun«, sagte er. »Ist ja schon gut. Laßt mal sehn.«
»Ihr
habt meine Leber bloßgelegt«, sagte der Mann vorwurfsvoll.
»Freilich
– ich hab’ doch gesagt, daß es mir leid tut. Mehr kann ich nicht
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