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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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huschenden Augen, wie
eine Maus.
    Lanzelot
ging zu der Truhe hinüber, auf der sein Schwert lag.
    »Ich
werde Euch töten.«
    Sie
sah ihn nur an. Sie war achtzehn, sie sah kläglich klein aus in dem gewaltigen
Bett, und sie hatte Angst.
    »Weshalb
habt Ihr das getan?« fragte er. »Was habt Ihr getan? Weshalb habt Ihr mich
getäuscht?«
    »Ich
mußte.«
    »Aber
das war Verrat!«
    Er
konnte es nicht von ihr glauben.
    »Das
war Verrat! Ihr habt mich verraten und betrogen.«
    »Wieso?«
    »Ihr
habt… Ihr habt mir meine… Ihr habt sie mir genommen… Ihr habt mich bestohlen –
«
    Er
warf sein Schwert in die Ecke und setzte sich auf die Truhe. Als er anfing zu
weinen, verzerrten sich die derben Züge seines Gesichts ins Phantastische.
Elaine hatte ihn seiner Kraft beraubt. Sie hatte ihm die Kraft von zehnen
gestohlen. Kinder glauben derlei noch immer: Um morgen beim Kricket zu glänzen,
so meinen sie, müssen sie heute recht brav sein.
    Lanzelot
hörte auf zu weinen und starrte zu Boden.
    »Als
ich klein war«, sagte er, »habe ich zu Gott gebetet, daß er mich ein Wunder
vollbringen lassen möge. Nur Jungfrauen können Wunder vollbringen. Ich wollte
der beste Ritter der Welt sein. Ich war häßlich und einsam. Die Leute in unserm
Dorf haben gesagt, ich war’ der beste Ritter der Welt, und mein Wunder habe ich
vollbracht, indem ich Euch aus dem Wasser holte. Ich hab’ ja nicht gewußt, daß
es mein erstes und zugleich mein letztes sein würde.«
    Elaine
sagte: »Ach, Lanzelot, Ihr werdet noch viele weitere vollbringen.«
    »Nein.
Nie mehr. Ihr habt mir meine Wunder gestohlen. Euretwegen bin ich nicht mehr der
beste Ritter der Welt. Elaine, weshalb habt Ihr das getan?«
    Sie
begann zu weinen.
    Er
stand auf, schlang sich ein Handtuch um die Hüfte und ging zum Bett.
    »Ist
ja gut«, sagte er. »Es war meine Schuld. Ich hab’ mich betrunken. Mir war
miserabel, und da hab’ ich mich betrunken. Ich möcht’ nur wissen, ob der
Kellermeister seine Hand im Spiele hatte. Das wäre nicht sehr fair. Weint
nicht, Elaine. Es war nicht Eure Schuld.«
    »Doch.
Doch: es war meine Schuld.«
    »Vielleicht
hat Euer Vater Euch dazu gebracht, um den achten Grad der Verwandtschaft mit
Unsrem Herrn für seine Familie zu sichern. Oder es war diese Hexe Brisen, die
Frau des Kellermeisters. Läßt’s Euch nicht zu Herzen gehn. Es ist vorbei.
Bestimmt. Ich geb’ Euch auch einen Kuß.«
    »Lanzelot!«
rief Elaine. »Ich hab’s getan, weil ich Euch liebe. Habe ich nicht auch etwas
gegeben? Ich war unberührt, Lanzelot. Ich hab’ Euch nicht beraubt. Ach,
Lanzelot – es war meine Schuld. Ich verdiene den Tod. Warum habt Ihr mich nicht
mit Euerm Schwert getötet? Aber es ist alles nur deshalb so gekommen, weil ich
Euch liebte. Ich konnte nicht anders.«
    »Na
ja, na ja.«
    »Lanzelot
– und wenn ich nun ein Baby kriege?«
    Er
hörte auf, sie zu trösten, und ging wieder ans Fenster. Er machte den Eindruck
eines Wahnsinnigen.
    »Ich
möchte ein Kind von Euch haben«, sagte Elaine. »Ich werde ihn Galahad nennen –
nach Eurem ersten Namen.«
    Sie
hielt noch immer mit ihren kleinen, bloßen Armen die Decke an sich gepreßt.
Lanzelot drehte sich wütend zu ihr um.
    »Elaine«,
sagte er, »wenn Ihr ein Kind bekommt, dann ist es Euer Kind. Es ist unfair,
mich auf diese Weise festbinden zu wollen. Ich geh’ jetzt. Und ich hoffe, Euch
nie wiederzusehn.«
     
     
     
     
     
    KAPITEL 13
     
     
    Ginevra saß in ihrem
düsteren Gemach über einer Petit-point- Stickerei, einer Arbeit, die sie nicht
leiden konnte. Es sollte eine Schildhülle für Arthur werden; sie trug das Bild
des roten, drohend aufgerichteten Drachen. Elaine war erst achtzehn, und es ist
nicht allzu schwierig, die Gefühle eines Kindes zu ergründen – Ginevra hingegen
war zweiundzwanzig. Sie hatte schon eine gewisse Individualität gewonnen, war
der schlichten Gefühlswelt jener Kind-Königin entwachsen, der man einst
Gefangene als Geschenk dargebracht hatte.
    Es
gibt so etwas wie ›Welterfahrung‹: etwas, das man erst in mittleren Jahren
erlangt. Jüngeren kann man sie nicht beibringen, da sie nicht logisch ist und
keinerlei konstanten Regeln folgt. Sie hat keine Gesetze. Aber während der
langen Jahre, in denen Frauen der Lebensmitte entgegengehen, entwickelt sich
ein Gefühl der Balance. Man kann ein Kind nicht das Gehen lehren, indem man ihm
die Sache logisch erklärt – es muß einfach durch Erfahrung lernen, wie man, die
Beine bewegend, das Gleichgewicht hält.

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