Der König auf Camelot
ungewöhnlichen Himmels, wie ihn
der Lachs auf dem Geröllbett eines Flusses genießt, unter schnapsklarem Wasser.
Vierundzwanzig Jahre lang sollten sie in Schuldleben, doch nur in diesem ersten
fanden sie so etwas wie Glückseligkeit. Wenn sie später, im Alter, auf dieses
Jahr zurückblickten, wußten sie nicht, ob es da je geregnet oder Frost gegeben
hatte. Die vier Jahreszeiten waren für sie gerötet wie die Schneide am
Blütenblatt einer Rose.
»Ich
versteh’ nur nicht«, sagte Lanzelot, »wieso Ihr mich liebt. Liebt Ihr mich
wirklich? Irrt Ihr Euch nicht?«
»Mein
Lanz.«
»Aber
mein Gesicht«, sagte er. »Ich bin so gräßlich. Jetzt kann ich glauben, daß Gott
die Welt liebt, wie sie auch aussehen mag.«
Manchmal
freilich wurden sie von Entsetzen gepackt, das von ihm ausging. Ginevra fühlte
keine Reue wegen ihres eigenen Tuns, doch sie ließ sich von ihrem Liebhaber
anstecken.
»Ich
darf nicht denken. Nur nicht denken. Küß mich, Jenny.«
»Weshalb
denken?«
»Ich
kann’s nicht ändern.«
»Lieber
Lanz!«
Und
bisweilen zankten sie sich um nichts – doch auch diese Streitereien waren die
von Liebenden, und wenn sie später daran zurückdachten, schienen sie ihnen
schön.
»Deine
Zehen sind wie die kleinen Ferkelchen, wenn sie zum Markt gebracht werden.«
»So
was solltest du nicht sagen. Das ist nicht respektvoll.«
»Respektvoll?«
»Ja:
respektvoll! Weshalb solltest du nicht respektvoll sein? Schließlich bin ich ja
die Königin.«
»Meinst
du das im Ernst? Soll ich dich wirklich mit Respekt behandeln? Erwartest du,
daß ich die ganze Zeit auf einem Bein knie und dir die Hand küsse?«
»Warum
nicht?«
»Ich
wollte, du wärst nicht so ichsüchtig. Wenn es etwas gibt, was ich nicht
ertrage, dann ist es das: wie ein Besitztum behandelt zu werden.«
»Ichsüchtig!
Ja, in der Tat!«
Die
Königin stampfte mit dem Fuß auf; vielleicht schmollte sie auch einen Tag lang.
Aber sie verzieh ihm, wenn er überzeugend den Zerknirschtengespielt hatte.
Eines
Tages, als sie so weit waren, ihre innersten Gefühle zu offenbaren – wobei sie
mit einer Art unschuldiger Verblüffung ihre Übereinstimmung feststellten – ,
gab Lanzelot der Königin sein Geheimnis preis.
»Jenny,
als ich klein war, hab’ ich mich gehaßt. Ich weiß nicht, warum. Ich habe mich
geschämt. Ich war ein sehr heiliger kleiner Junge.«
»Sehr
heilig bist du jetzt nicht«, sagte sie lachend. Sie verstand nicht, was er ihr
sagen wollte.
»Einmal
hat mich mein Bruder gebeten, ihm einen Pfeil zu leihen. Ich hatte zwei oder
drei, die besonders gerade waren und die ich sorgfältig hütete. Die seinen
hatten sich ein bißchen geworfen. Ich hab’ ihm gesagt, ich hätte meine geraden
Pfeile verloren und könnt’ sie ihm nicht leihen.«
»Kleiner
Lügner!«
»Ich
weiß. Hinterher fühlte ich die übelsten Gewissensbisse, weil ich ihn angelogen
hatte, und mir war, als hätte ich Gott verraten. Da bin ich dann zum Burggraben
gegangen und hab’ meinen Pfeilarm zur Strafe in ein Brennesselgestrüpp gelegt.
Ich hab’ mir den Ärmel aufgerollt und den Arm richtig reingelegt.«
»Armer
Lanz! Du mußt ein rechtes Unschuldslamm gewesen sein.«
»Ja.
Aber, Jenny – sie haben mich nicht gebrannt! Ich erinnere mich ganz genau, daß
sie mich nicht gebrannt haben.«
»Meinst
du, das war ein Wunder?«
»Ich
weiß nicht. Genau kann man’s nicht wissen. Ich war völlig verträumt; ich lebte
ganz und gar in einer Traumwelt, in der ich Arthurs größter Ritter war. Mag
sein, daß ich mir das mit den Brennesseln nur eingebildet habe. Aber ich glaube
mich des Schocks zu erinnern, den ich empfand, als sie nicht brannten.«
»Bestimmt
war’s ein Wunder«, sagte die Königin entschieden.
»Jenny,
mein ganzes Leben lang hab’ ich Wunder wirken wollen. Ich wollte heilig sein. Wahrscheinlich
war’s Ehrgeiz oder Stolz oder sonst etwas Erbärmliches. Mir genügte es nicht,
die Welt zu erobern – ich wollte auch den Himmel erobern. Ich war derart
besessen, daß ich nicht nur der stärkste Ritter sein wollte, nein, ich mußte
auch der beste sein. Das ist das Schlimme bei Tagträumen. Deshalb habe ich
versucht, mich von dir fernzuhalten. Ich wußte, daß ich keine Wunder tun
könnte, wenn ich nicht rein bleiben würde. Und ich habe tatsächlich ein Wunder
bewirkt: ein ganz richtiges. Ich hab’ ein Mädchen aus kochendem Wasser
rausgeholt, in das sie reingezaubert war. Sie hieß Elaine. Dann hab’ ich meine
Kraft verloren. Jetzt sind wir beide
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