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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Rastlosigkeit; die Unfähigkeit, in sich
selbst zu ruhen und den Menschen mittleren Alters nicht auf die Nerven zu
gehen; dreistes Gerede über abstrakte Dinge, wie die Schönheit, als sei das für
die Älteren von Belang; Mangel an der Einsicht, wann aus Respekt vor den
Älteren die Wahrheit zu verschweigen sei; allgemeiner Überschwang und Überdruß,
untauglich, sich den Verhaltensformen des siebenten Sinnes anzubequemen –
derlei muß zu den Eigenschaften der zweiundzwanzigjährigen Ginevra gehört
haben, weil es jedermann in diesem Alter eigen ist. Darüber jedoch lagen die
breiten und noch unsicheren Züge ihres persönlichen Charakters, durch die sie
sich von der unschuldigen Elaine unterschied, welche vielleicht mehr pathetisch
und weniger realistisch war – Züge auch der Stärke, die sie zu der unverwechselbaren
Jenny machten, die Lanzelot liebte.
    »Ach,
Lanzelot«, sang sie, als sie an der Schildkrone stickte. »Ach, Lanz, so kommt
doch endlich wieder. Ihr mit Euerm schiefen Lächeln, mit Euerm eigentümlichen
Gang, an dem man gleich erkennt, ob Ihr zornig oder ratlos seid. Kommt zurück
und sagt mir, daß es gar nichts ausmacht, ob die Liebe Sünde ist oder nicht.
Kommt zurück und sagt mir, daß es nur uns beide gibt, Euch und mich – ganz
gleich, was mit irgend jemand anderem geschieht.«
    Das
Erstaunliche war, daß er tatsächlich kam. Direkt von Elaine, direkt von ihrem
Raubüberfall kam er dahergeschossen – wie ein Pfeil in den Herzpunkt fliegt.
Der Getäuschte hatte ja vermeintlich bereits mit Ginevra geschlafen; er war
bereits um seine zehnfältige Kraft betrogen worden. In den Augen Gottes, so
meinte er, war er nun nichts als eine Lüge; also machte es auch nichts, wenn er
wirklich zur Lüge wurde. Er war nicht mehr der beste Ritter der Welt, er würde
nie mehr Wunder gegen Zauberei bewirken können, er hatte keinen Ausgleich mehr
für seine Häßlichkeit und die Leere seines Herzens – so ritt er eilends zu
seiner Geliebten, um bei ihr Trost zu finden.
    Hufgeklapper
auf dem Kopfsteinpflaster bewog Ginevra, ihre Stickerei beiseite zu legen und
nachzusehen, ob Arthur von der Jagd heimgekehrt sei. Dann klirrten
kettengepanzerte Füße auf den steinernen Stufen und klingelten wie Sporen. Und
dann – ehe sie noch recht begriff, was geschehen war – lachte Ginevra oder
weinte und war ihrem Gemahl untreu, wie sie es schon immer hatte kommen sehen.
     
     
     
     
     
    14
     
     
    Arthur sagte: »Hier
ist ein Brief von Eurem Vater, Lanz. Es heißt darin, er werde von König Claudas
angegriffen. Ich habe ihm versprochen, ihm gegen Claudas zu helfen, falls es
nötig ist, als Dank für seine Hilfe in Bedegraine. Ich werde aufbrechen
müssen.«
    »Ich
verstehe.«
    »Was
wollt Ihr tun?«
    »Was
ich tun will?«
    »Ich
meine: möchtet Ihr mitkommen oder hierbleiben?«
    Lanzelot
räusperte sich und sagte: »Ich möchte das, was Ihr fürs Beste haltet.«
    »Es
wird Euch schwerfallen«, sagte Arthur. »Und ich bitte Euch ungern darum. Aber
würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich Euch hierzubleiben bäte?«
    Lanzelot
suchte verwirrt nach einer unverfänglichen Antwort, so daß der König sein
Schweigen irrigerweise für Enttäuschung hielt.
    »Natürlich
habt Ihr ein Recht darauf, Euren Vater und Eure Mutter zu sehen«, sagte er.
»Ich verlange nicht, daß Ihr hierbleibt, wenn es Euch zu sehr schmerzt. Wir
werden dann schon eine andere Lösung finden.«
    »Weshalb
möchtet Ihr, daß ich in England bleibe?«
    »Es
muß jemand hier sein, der auf die Parteien achtgibt. Ich würde mich in
Frankreich sicherer fühlen, wenn ich wüßte, daß ein starker Mann hier nach dem
Rechten sieht. In Cornwall bahnt sich ein Unheil an, eine Auseinandersetzung
zwischen Tristan und Marke, und die Orkney-Fehde ist ebenfalls zu bedenken. Ihr
kennt ja die Schwierigkeiten. Und mir wäre auch wohler, wenn ich wüßte, daß
sich jemand um Gin kümmert.«
    »Vielleicht
war’s besser«, sagte Lanzelot, nach den rechten Worten suchend, »wenn Ihr
jemand anderem diese Aufgabe anvertrautet.«
    »Nun
seid aber nicht albern. Wem könnte ich mehr vertrauen als Euch? Ihr brauchtet
Eure Visage nur draußen vor dem Hundegraben zu zeigen, und schon würden alle
Diebe Reißaus nehmen.«
    »Sie
ist nicht grad besonders anziehend.«
    »Alter
Halsabschneider!« rief der König und schlug seinem Freund liebevoll auf die
Schulter.
    Alsdann
widmete er sich den Vorbereitungen für die Expedition.
    Sie
hatten ein Jahr des Glücks, zwölf Monate jenes

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