Der König auf Camelot
kühl, doch innerhalb der Vorburg war
die Hitze geradezu höllisch. Noch einmal nahmen sie Anlauf und erreichten in
sengender Sonne die Zugbrücke und standen – konnte Merlin erraten haben, was er
dachte? – am Graben.
Es war die hohe
Zeit der Seerosen, und wenn Sir Ector nicht einen Teil des Gewässers für die
Badefreuden der Jungen hätte freihalten lassen, wäre es gänzlich überwachsen
gewesen. So aber war zu beiden Seiten der Brücke ein etwa zwanzig Fuß breiter
blanker Wasserspiegel, und man konnte von der Brücke geradewegs hineinspringen.
Der Graben war tief. Er wurde als Zucht-Teich genutzt, damit die
Schloßbewohner freitags Fisch essen konnten, und aus diesem Grunde hatten die
Baumeister Sorge dafür getragen, daß kein Abwasser hineinfloß. In jedem Jahr
wurden hier Fische ausgesetzt.
»Ich wollt’, ich
war’ ein Fisch«, sagte Wart.
»Was für einer?«
Es war fast zu
heiß, um hierüber nachzudenken, doch Wart starrte gedankenverloren in die
kühle, bernsteinfarbene Tiefe, wo ein Schwarm kleiner Barsche schwerelos
schwebte.
»Vielleicht
möcht’ ich ein Barsch sein«, sagte er. »Die sind nicht so tölpelhaft wie die
dummen Plötzen und andererseits nicht so mordlüstern wie die Hechte.«
Merlin nahm
seinen Hut ab, hob seinen Stab aus lignum vitae ehrerbietig in die Höhe
und sagte langsam: »Nilrem tßürg nutpen, dnu lliw re ettib neseid negnuj sla
hcsif nemhenna?«
Allsogleich
erhob sich ein großes Getöse von Muscheln, Schnecken und dergleichen, und über
den Zinnen erschien ein feister, fröhlicher Mann rittlings auf einer geblähten
Wolke. Auf seinen Bauch war ein Anker tätowiert, und auf der Brust trug er
eine hübsche Seejungfer, darunter ihren Namen: Mabel. Er spuckte seinen Priem
aus, nickte Merlin leutselig zu und richtete seinen Dreizack auf Wart. Wart
stellte fest, daß er nichts anhatte. Er merkte, daß er von der Zugbrücke
herabfiel und mit einem Platschen aufs Wasser schlug. Er entdeckte, daß Graben
und Brücke hundertmal größer geworden waren. Er wußte, daß er zum Fisch wurde.
»Merlin, bitte«,
rief er, »kommt doch auch.«
»Dieses eine
Mal«, sagte eine volltönende und weihevolle Stimme neben ihm, »komme ich.
Hinfort jedoch wirst du auf dich selbst gestellt sein. Erziehung ist Erfahrung,
und die Quintessenz aller Erfahrung ist Selbstve rtrauen.«
Wart fand es
schwierig, ein ganz anderes Lebewesen zu sein. Es hatte keinen Sinn, wie ein
Mensch schwimmen zu wollen, weil’s spiralig wurde und viel zu langsam ging. Er
hatte keine Ahnung, wie man als Fisch zu schwimmen hat.
»So doch nicht«,
sagte der Schlei gewichtig. »Leg dein Kinn an die linke Schulter und schnipp
los. Kümmre dich nicht um die Flossen.«
Warts Beine
waren mit dem Rückgrat eins geworden, und seine Füße und Zehen hatten sich zu
einer Schwanzflosse umgebildet. Auch seine Arme waren zu Flossen geworden –
von zart rosaroter Färbung –, und in der Bauch-Gegend hatte er einige weitere
angesetzt. Sein Kopf war nach hinten gerutscht: wenn er sich krümmte, berührte
er mit den Zehen nicht das Kinn, sondern das Genick. Er war hübsch anzuschauen,
olivgrün, mit einem ziemlich kratzigen Schuppenpanzer und dunklen Seitenstreifen.
Er war nicht sicher, wo seine Seiten waren und wo hinten und wo vorne war, doch
was jetzt sein Bauch zu sein schien, leuchtete in attraktiv-weißlicher Färbung,
während sein Rücken mit einer kraftvollen Flosse gewappnet war, die
kämpferisch aufgerichtet werden konnte und Stacheln hatte. Er versuchte sich,
wie von dem Schlei angewiesen, in Schnipp-Schnapp-Stößen und stellte fest, daß
er schnurstracks in den Schlämm hineinschwamm.
»Nimm deine Füße
zur Hilfe, wenn du nach rechts oder links willst«, sagte der Schlei, »und sorg
mit den Bauchflossen für die Balance. Du lebst jetzt in zwei Ebenen, nicht nur
in einer.«
Wart entdeckte,
daß er sich in der Waagrechten halten konnte, wenn er mit seinen Arm-Flossen
und mit denen an seinem Bauch ausgleichende Wedelbewegungen machte. Leicht
taumelnd, schwamm er von dannen und fühlte sich ungeheuer wohl.
»Komm zurück«,
sagte der Schlei. »Erst mußt du schwimmen lernen, eh du dich drauflosstürzen
kannst.«
Wart kehrte im
Zick-Zack-Kurs zu seinem Lehrherrn zurück und bemerkte: »Irgendwie komm’ ich
nicht geradeaus.«
»Das liegt
daran, daß du nicht von der Schulter aus schwimmst. Du schwimmst, als ob du ein
Junge wärst: mit den Hüften. Versuch doch mal, dich vom Genick abwärts hin und
her zu
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