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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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erröteten sie
intensiver, olivfarben, und das war ein Zeichen des Zorns. Jedesmal, wenn
Merlin mit seinem Begleiter an ihnen vorüberschwamm, richteten sie drohend
ihre stachligen Rückenflossen auf und senkten sie erst wieder, wenn sie sahen,
daß Merlin ein Schlei war. Die schwarzen Streifen an ihren Seiten erweckten den
Eindruck, als seien sie gegrillt; und auch die konnten dunkler oder heller
werden. Einmal glitten die beiden Schwimmer unter einem Schwan daher. Der weiße
Vogel trieb über ihnen dahin wie ein Zeppelin. Was von ihm aus dem Wasser
ragte, war nur undeutlich zu erkennen, die unter Wasser befindliche Partie
indessen zeigte eindeutig, daß er in leichter Seitenlage schwamm und ein Bein
auf den Rücken gelegt hatte.
    »Seht doch«, sagte Wart. »Das ist der arme Schwan
mit dem deformierten Bein. Der kann nur mit einem Bein paddeln, und die andere
Seite ist verkrüppelt.«
    »Unsinn«, sagte der Schwan bissig, indem er seinen
Kopf ins Wasser tauchte und ihnen seine schwarzen Nasenlöcher mißbilligend
entgegenreckte. »Schwäne ruhen gern in dieser Stellung, und dein fischiges
Mitleid kannst du ruhig für dich behalten, nun weißt du’s.« Er stierte sie
weiter von oben herab an wie eine Schlange, die plötzlich durchs Dach baumelt,
bis sie außer Sicht waren.
    »Schwimm unbesorgt«, sagte der Schlei, »als gab’s
nichts auf der Welt, vor dem man Angst haben muß. Siehst du denn nicht, daß es
hier genau so ist wie im Wald, durch den du wandern mußtest, um mich zu finden?«
    »Wirklich?« – Wart hielt Ausschau. Zuerst sah er
nichts. Dann sah er eine kleine durchscheinende Gestalt reglos an der
Oberfläche hängen. Sie befand sich knapp außerhalb des Schattens einer Seerose
und genoß offenbar die Sonne. Es war ein Hecht-Baby, stocksteif und vermutlich
schlafend, und es sah aus wie ein Pfeifenstiel oder ein in die Länge gezerrtes
Seepferdchen. Wenn’s einmal erwachsen war, würde es ein Räuber sein.
    »Ich will dir einen von ihnen zeigen«, sagte der
Schlei, »den Beherrscher dieser Gegend. Als Arzt genieße ich Immunität, und als
meinen Begleiter wird er dich ebenso respektieren – doch empfehle ich dir, auf
dem Sprung zu sein, falls ihm tyrannisch zumute ist.«
    »Ist er der König des Burggrabens?«
    »Er ist es. Sie nennen ihn Old Jack, und manchmal
nennen sie ihn den Bösen Buben oder den Schwarzen Peter, aber die meisten
nennen ihn gar nicht mit Namen. Sie sagen einfach Herr Hecht zu ihm. Du wirst
schon sehen, was es heißt, ein König zu sein.«
    Wart hielt sich ein wenig hinter seinem
Lehrmeister, und das war vielleicht ganz gut, denn sie befanden sich fast
oberhalb ihres Ziels, ehe er’s überhaupt merkte. Als er den alten Despoten
gewahrte, zuckte er vor Entsetzen zurück, denn Herr Hecht war vier Fuß lang,
sein Gewicht unermeßlich groß. Der kraftvolle Körper, der schattenhaft und
nahezu unsichtbar zwischen den Stengeln stand, lief in ein Gesicht aus, das
von allen Zügen eines absoluten Monarchen gezeichnet war: von Grausamkeit,
Leid, Alter, Stolz, Sehnsucht, Einsamkeit und großen Gedanken, deren Stärke ein
Einzelhirn überstieg. Dort also kauerte er, lauerte er; sein ironisches
Riesenmaul war herabgezogen, als litte er unter Melancholie; die glattrasierten
Kinnbacken verliehen ihm einen amerikanischen Ausdruck: er ähnelte Onkel Sam.
Er war unbarmherzig, desillusioniert, logisch-berechnend, räuberisch,
grimmig-wild und kannte keine Gnade – doch sein großes Edelsteinauge war das
eines tödlich getroffenen Rehs, geweitet, ängstlich, sensitiv und voller
Trauer. Er machte keine Bewegung, sah sie nur an mit seinen Augen.
    Wart konstatierte, daß Herr Hecht ihm gestohlen
bleiben konnte.
    »Gebieter«, sagte Merlin, ohne seine Nervosität zu
beachten, »ich habe einen jungen Bekenner hergebracht, der lernen möchte, sich
zu etwas zu bekennen.«
    »Wozu bekennen?« fragte der König des Burggrabens ,
langsam, wobei er kaum den Rachen öffnete und durch die Nase sprach. »Zur
Macht«, sagte der Schlei.
    »Laß ihn selber reden.«
    »Ach, bitte«, sagte Wart, »ich weiß nicht, worum
ich bitten sollte.«
    »Es gibt nichts«, sagte der Monarch, »außer der
Macht, die zu suchen du vorgibst: die Macht zu zermalmen und die Macht zu
verdauen, die Macht zu suchen und die Macht zu finden, die Macht zu warten und
die Macht zu fordern – die ganze Macht und Unbarmherzigkeit entspringt dem
Genick.«
    »Danke.«
    »Die Liebe ist ein Schabernack, den die Kräfte der
Evolution uns spielen.

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