Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
C-C-C-Clara sagt das, Sir. I-i-ich hoffe, Sie
verstehn?«
    Die arme Plötze kam derart ins Stolpern und
Stottern und Sprudeln, daß sie sich – die Tränen machten es ohnehin schwierig
– nicht mehr verständlich machen konnte, sondern sich darauf beschränkte,
Merlin kummervoll anzuglotzen.
    »Ist schon gut, mein Kleines«, sagte Merlin, »ist
ja schon gut. Bring mich mal zu deiner lieben Mama, dann werden wir sehen, was
da zu machen ist.«
    Selbdritt schwammen sie auf ihrer Hilfsmission in
das trübe Gewässer unter der Zugbrücke.
    »Neurotisch, diese Plötzen«, flüsterte Merlin
hinter vorgehaltener Flosse. »Vermutlich ein hysterischer Anfall. Eher Sache
eines Psychologen denn eines Arztes.«
    Die Mama der Plötze lag auf dem Rücken, genau wie
beschrieben. Sie blickte scheel-äugig drein, hatte die Flossen auf der Brust
gefaltet und stieß dann und wann eine Luftblase aus. All ihre Kinder waren im
Kreis um sie versammelt, und jedesmal, wenn sie blubberte, stießen sie sich
gegenseitig an und holten tief Luft. Auf ihrem Gesicht lag ein engelgleiches
Lächeln.
    »Soso«, sagte Merlin und setzte eine wohlwollend-väterliche
Miene auf. »Wie geht’s uns denn heute?«
    Er tätschelte die jungen Plötzen und näherte sich
mit gemessenen Bewegungen seiner Patientin. Vielleicht sollte erwähnt werden,
daß Merlin ein gewichtiger, behäbiger Fisch von etwa fünf Pfund war,
lederfarben, mit kleinen Schuppen und fettigen Flossen und leuchtend dotterblumengoldgelben
Augen: eine stattliche Erscheinung.
    Mrs. Plötze streckte ihm eine matte Flosse
entgegen, seufzte emphatisch auf und sagte: »Ach, Doktor, sind Sie endlich da?«
    »Aham«, sagte der Arzt mit tiefer Stimme.
    Dann gebot er allen, die Augen zu schließen – Wart
blinzelte ein bißchen –, und schwamm gemächlich und gemessen um die Kranke. Während
er tanzte, sang er. Sein Lied lautete:
     
    »Therapeuti,
    Elephanti,
    Diagnosi
    Wumm!
    Pankreati,
    Mikrostati,
    Antitoxi
    Bumm!
    Normales Katabolismo,
    Schnatterismo,
Papplerismo,
    Schnipp, Schnapp,
Schnoro,
    Schneid ab sein
Abdenoro.
    Dyspepsia,
    Anämia,
    Toxämia.
    Eins, Zwei, drei,
    Und du bist frei,
    Mit rummsdideldei
    Für’n Appel und’n Ei!«
     
    Gegen Ende des Singsangs
schwamm er so dicht um seine Patientin herum, daß er sie faktisch berührte und
seine braunen glattschuppigen Flanken an ihren mehr hornigen und bleichen rieb.
Vielleicht heilte er sie mit seinem Schleim – es wird ja allgemein behauptet,
daß alle Fische den Schlei konsultieren – , vielleicht aber auch war’s die
Berührung oder Massage oder Hypnose. Auf jeden Fall hörte Mrs. Plötze plötzlich
zu schielen auf, nahm eine normale Lage ein und sagte: »Ach, Doktor, liebes Doktorchen,
jetzt hätt’ ich Appetit auf ein paar fette Enchyträen.«
    »Kommt nicht in Frage«, sagte Merlin. »Zwei Tage
keine Enchyträen. Ich werde Ihnen einen starken Algenbräu verschreiben, alle
zwei Stunden einzunehmen. Sie müssen erst wieder zu Kräften kommen, Frau
Plötze. Wissen Sie: Rom ist ja auch nicht an einem Tag erbaut worden.«
    Dann tätschelte er die kleinen Plötzchen noch
einmal, ermahnte sie, brav zu sein und anständige Fische zu werden, und
entschwamm majestätisch ins Halbdunkel, sein Rundmaul auf und zu bewegend.
    »Was habt Ihr mit Rom gemeint?« fragte Wart, als
sie außer Hörweite waren.
    »Weiß der Himmel.«
    Sie schwammen fürbaß. Merlin wies ihn hin und
wieder an, den Schwanz zu gebrauchen, wenn er’s vergaß, und langsam eröffnete
sich ihnen die seltsame Unterwasserwelt. Nach der Hitze der Ober-Luft war es
köstlich kühl. Die gewaltigen Wälder des Schilfs und der anderen Wassergewächse
waren wundervoll verwoben, und darinnen schwebten viele Schwärme von
Stichlingen, die lernten, ihre gymnastischen Übungen in striktem Gleichmaß auszuführen.
Auf Eins standen sie alle still; auf Zwei machten sie kehrt; auf Drei
formierten sie sich pfeilschnell zu einem Kegel, dessen Spitze irgend etwas
Eßbares war. Wasserschnecken schoben sich an Pflanzenstengeln hinauf oder
glitten gemächlich an der Unterseite der Seerosenblätter einher, während am
Boden Muscheln lagen, ohne einer besonderen Tätigkeit nachzugehen. Ihr Fleisch
war lachsfarben wie ein sehr gutes Erdbeer-Crème-Eis. Die kleine Barschgemeinde
– es war merkwürdig: alle größeren Fische schienen sich versteckt zu haben –
verfügte über einen anfälligen Kreislauf: sie erröteten oder erbleichten so
leicht wie eine Lady in einem viktorianischen Roman. Nur

Weitere Kostenlose Bücher