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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Haare
nicht, seine Augen nicht, seinen Backenbart nicht. Jegliche Farbe an ihm war
ausgelaugt, um ja keine Handhabe zu bieten. Doch rings um die funkelnden Augen
in seinem blaß-rosa Totenkopfgesicht waren Krähenfüße, was einen Ausdruck
ergab, den man für ein humorvolles Zwinkern halten konnte, wenn man wollte,
oder für ein ironisches Feixen; vielleicht aber diente er auch nur dazu, die
himmelblauen Augen fein und tief erscheinen zu lassen. Sein Gang war aufrecht –
teils werbend, teils trotzig; aber eine Schulter war höher als die andere. Er
war – wie Richard III. – leicht verkrüppelt zur Welt gekommen: Folge einer
ungeschickten Entbindung durch die Wehmutter.
    Arthur
erwartete sie; Ginevra und Lanzelot saßen ihm zur Rechten und zur Linken.
    Der
stämmige, rothaarige Gawaine ließ sich unbeholfen auf ein Knie nieder. Er sah
den König nicht an, sondern blickte zu Boden.
    »Vergebung.«
    »Vergebung«,
sagte auch Mordred, doch er – neben seinem Halbbruder kniend – blickte dem
König ins Gesicht. Er hatte eine unverbindliche Stimme; sie war wunderbar
moduliert, und die von ihr artikulierten Worte mochten genausogut das Gegenteil
ihres eigentlichen Sinnes bedeuten.
    »Es
sei Euch vergeben«, sagte Arthur. »Geht.«
    »Gehn?«
fragte Gawaine. Er war sich nicht sicher, ob dies Verbannung hieß.
    »Ja,
geht. Wir können uns beim Mahle treffen. Aber jetzt: geht. Verlaßt mich,
bitte.«
    Gawaine
sagte trotzig: »Die Sach’ war zur Hälfte aus glattem Mißgeschick passiert.«
    Dieses
Mal war Arthurs Stimme weder müde noch bekümmert.
    »Geht!«
    Er
stampfte mit dem Fuß auf, wie ein Schlachtroß, und wies zur Tür, als wolle er
sie hinauswerfen. In seine Augen kam ein grünes Blitzen, so daß selbst Mordred
sich schnell erhob. Gawaine war verschreckt und stolperte verwirrt zur Tür
hinaus; der Verkrüppelte jedoch fand seine Beherrschung wieder, ehe er ging. Er
machte eine tiefe Verbeugung, eine komödiantisch übertriebene
Ergebenheitsgeste. Dann richtete er sich auf, sah den König an, lächelte und
ging.
    Arthur
setzte sich zitternd nieder. Lanzelot und Ginevra blickten sich über seinen
Kopf hinweg an. Sie hätten gerne gefragt, weshalb er seinen Neffen vergeben
wolle, oder eingewendet, daß es unmöglich sei, Muttermördern zu vergeben, ohne
der Tafelrunde Schaden zuzufügen. Aber sie hatten Arthur nie zuvor in seinem
königlichen Zorn gesehen. Sie spürten, daß hier etwas mitspielte, das sie nicht
verstanden – also hielten sie sich zurück.
    Da
sagte der König: »Ich hatte Euch gerade etwas erklären wollen, Lanz, ehe dies
geschah.«
    »Ja.«
    »Ihr
beiden habt mir immer zugehört, wenn es um meine Tafelrunde ging. Ich möchte,
daß Ihr’s begreift.«
    »Wir
werden unser Bestes tun.«
    »Vor
langer Zeit, als mein Merlin mir noch zur Seite stand, da versuchte er, mir das
Denken beizubringen. Er wußte, daß er mich irgendwann einmal verlassen mußte,
also zwang er mich, selber zu denken. Laßt Euch niemals das Denken
eintrichtern, Lanz: es ist der Fluch der Welt.«
    Der
König saß da und betrachtete seine Finger, und die beiden warteten, während ihm
die alten Gedanken wie Krabben seitwärts über die Finger liefen.
    »Merlin«,
sagte er, »hat die Tafelrunde befürwortet. Offensichtlich war sie zu jener Zeit
eine gute Sache. Es muß ein Schritt vorwärts gewesen sein. Und jetzt müssen wir
daran denken, den nächsten zu tun.«
    Ginevra
sagte: »Ich seh’ nicht ein, was an der Tafelrunde falsch sein sollte, nur weil
der Orkney-Clan blutrünstig zu werden beliebt.«
    »Ich
hab’s Lanz erklärt. Die Idee unserer Tafel war, daß das Recht das Wichtige sei,
nicht die Macht. Unglücklicherweise haben wir versucht, Recht durch Macht zu
etablieren, und das geht nicht.«
    »Ich
seh’ nicht ein, weshalb das nicht gehen soll.«
    »Ich
habe versucht, die Macht in gewisse Bahnen zu lenken, so daß sie von Nutzen
ist. Der Gedanke war, all jenen, denen das Kämpfen Spaß macht, eine bestimmte
Richtung anzuweisen, damit sie für die Gerechtigkeit kämpften. Ich hatte
gehofft, das Problem auf diese Weise lösen zu können. Es war keine Lösung.«
    »Wieso
nicht?«
    »Einfach,
weil wir nun Gerechtigkeit haben. Wir haben das erreicht, wofür wir gekämpft
haben, aber die Kämpfer haben wir noch immer am Hals. Seht Ihr denn nicht, was
geschehen ist? Wir haben nichts mehr, für das zu kämpfen sich lohnt – also
gehen alle Kämpfer der Tafel vor die Hunde. Sie verkommen. Schaut Euch Gawaine
und seine Brüder

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