Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
getötet?« fragte der König, so, als sei das die natürlichste
Frage.
    »Mein
Bruder Agravaine.«
    »Was!«
    Der
Ausruf kam von Lanzelot.
    »Mein
Bruder hat unsre Mutter getötet, weil er dazukam, als sie mit einem Manne
schlief.«
    »Seid
ruhig, Lanzelot, bitte«, sagte der König. Dann zu Gareth: »Was haben sie Sir
Lamorak angetan?«
    Doch
Gareth hatte den ersten Teil seiner Geschichte noch nicht beendet.
    »Agravaine
hat ihr den Kopf abgeschlagen«, sagte er. »Wie einem Einhorn.«
    »Einhorn?«
    »Bitte,
Lanzelot.«
    »Er
hat unsre Mutter blutig abgeschlachtet.«
    »Entsetzlich.«
    »Ich
hab’s schon immer gewußt«, sagte Gareth.
    »Bist
du sicher, daß die Nachricht stimmt?«
    »Sie
stimmt. Sie stimmt. Agravaine hat ja das Einhorn getötet.«
    »War
Lamorak das Einhorn?« fragte der König sanft. Er wußte nicht, wovon sein Neffe
sprach, wollte jedoch unbedingt behilflich sein. »Ist Lamorak tot?«
    »Ach,
Onkel! Die Nachricht lautet, daß Agravaine sie nackt mit Sir Lamorak im Bett
gefunden hat, und da schlug er ihr den Kopf ab. Jetzt haben sie auch Lamorak
zur Strecke gebracht.«
    Lanzelot
war weniger geduldig als der König, da er weniger von den Nöten und Leiden der
frühen Tage wußte.
    »Wer
waren sie?« fragte er.
    »Mordred,
Agravaine und Gawaine.«
    »Also
läuft es darauf hinaus«, sagte Sir Lanzelot, »daß Eure drei Brüder zuerst König
Pellinore ermordet haben, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Sie
ermordeten ihn, weil er ihren Vater bei einem Turnier zufällig getötet hatte.
Dann ermordeten sie die Mutter im Bett. Und schließlich haben sie Pellinores jungen
Sohn Lamorak abgeschlachtet, weil er von ihrer Mutter verführt wurde, die
dreimal so alt war wie er. Vermutlich haben sich alle gemeinsam gegen einen
gestellt?«
    Gareth
packte des Königs Hand fester und ließ den Kopf sinken.
    »Sie
haben ihn umzingelt«, sagte er tonlos, »und Mordred hat ihn von hinten
erstochen.«
     
     
     
     
     
     
     
     
    KAPITEL 27
     
     
    Gawaine und Mordred
kamen von ihrem Streifzug durchs Gebiet der ›Alten‹ geradeswegs nach Camelot
zurück, Agravaine aber kam nicht mit. Sie hatten eine Auseinandersetzung gehabt,
als Lamorak tot war – oder genauer: sobald sie Zeit fanden, sich klarzumachen,
was passiert war. Die Ermordung von Königin Morgause war nicht mit Vorbedacht
geschehen. Agravaine hatte sie unterm Zwang des Augenblicks umgebracht – in
blinder Wut, wie er sagte – , aber sie ahnten instinktiv, daß pure Eifersucht
das Motiv gewesen war. Also hatten sie die alte Anklage gegen ihn erhoben, daß
er nur ein fetter Maulheld sei, dessen vornehmste Beschäftigung darin bestehe,
wehrlose Männer und Frauen umzubringen. Dann hatten sie ihn nach einer heftigen
Auseinandersetzung weinend zurückgelassen. Gawaine, der sich jetzt seiner
ganzen Bewunderung für ihre sonderbare Mutter bewußt wurde – einer Bewunderung,
die die Königin-Hexe jedem ihrer Söhne angezaubert hatte – , ritt in düsterer
Bußstimmung an des Königs Hof. Er wußte, daß Arthur über die Art und Weise des
Todes von Jung-Lamorak in Wut geraten werde, denn der Knabe war der drittbeste
Ritter der Tafelrunde gewesen; und trotzdem schämte er sich nicht, ihn
umgebracht zu haben. Seiner Ansicht nach verdiente Lamorak den Tod, wie ein
Verbrecher, weil er und sein Vater den Orkney-Clan beleidigt hatten. Er wußte,
daß der ganze Hof ihn wegen der Ermordung seiner Mutter schief ansehen werde,
und außerdem würde das alte Gerede neu aufleben – die Frau betreffend, die er
selber in einem Anfall von Raserei umgebracht hatte, als er jung gewesen war.
Doch nicht einmal dies schreckte ihn sonderlich. Was ihn indes bedrückte und
Reue empfinden ließ, war die Tatsache, daß seine liebe Orkney-Mutter nicht mehr
lebte – erst langsam wurde ihm klar, wie es geschehen war – ,und daß er Arthurs
Ideale verletzt hatte; denn im Grunde seines Herzens war er großmütig. Er
hoffte, der König möge ihn aufhängen lassen oder ins Exil schicken oder sonstwie
streng bestrafen. Mit mürrischer Beschämung trat er in das königliche Gemach.
    Mordred
ging hinter Gawaine her in den Raum, als sei nichts geschehen. Er war ein
spindeldürrer Kerl, dazu so weißblond, daß er fast schon einem Albino glich;
seine Augen waren so hellblau, von solch verwaschenem Azur in ihrer trüben
Tiefe, daß man nicht in sie hineinsehen konnte. Er war glattrasiert. Man hatte
den Eindruck, als könne man keinen Teil von ihm zu fassen kriegen: seine

Weitere Kostenlose Bücher