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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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daß er kaum die Augen offenhalten
konnte; und sogar der alte Sir Ector vom Forest Sauvage kam daher,
fünfundachtzig Jahre alt, ein Tattergreis.
    Sie
brachten gebrochene Arme und Gerüchte mit. Eines besagte, daß Galahad, Bors,
der andere Ector und eine Nonne an einer Mirakel-Messe teilgenommen hätten. Sie
sei von einem Lamm zelebriert worden, unter Beihilfe eines Mannes, eines Löwen,
eines Adlers und eines Stiers. Nach der Messe sei der Zelebrant durch ein Lamm
in einem der Buntglasfenster der Kirche verschwunden, ohne das Glas zu
zerbrechen, dergestalt die unbefleckte Empfängnis versinnbildlichend. Ein
anderes sprach davon, wie unbarmherzig Galahad mit einem Unhold in einer Gruft
verfahren sei, wie er den Brunnen der Lust abgekühlt habe und wie das Schloß
der leprösen Lady schließlich zusammengestürzt sei.
    Diese
Männer mit rostigen Rüstungen und zerhackten Schilden hatten Lanzelot da und
dort gesehen. Sie sprachen von einem geharnischten häßlichen Mann, der vor
einem Kreuz am Wege betete; von einem verhärmten Gesicht, eingeschlafen auf dem
Schild, unterm Mondschein. Sie sprachen auch von schier unglaublichen Dingen:
von einem Lanzelot, den man vom Pferd gehoben habe, der besiegt worden sei, der
nach dem Abwurf niedergekniet sein solle. Arthur stellte Fragen, sandte Boten
aus, schloß seinen Hauptmann in seine Gebete ein. Ginevra wandelte in
gefährlichem Geisteszustand mit ihren Worten am Rand eines Abgrunds entlang.
Jeden Augenblick konnte sie etwas sagen oder tun, das sie und ihren Geliebten
bloßstellen mochte. Mordred und Agravaine, die zu den ersten gehörten, welche
von der Queste zurückkehrten, wachten und warteten mit funkelnd geweiteten
Augen. Sie waren reglos, wie Lord Burleigh dies bei den Ratsversammlungen der
Königin Elisabeth gewesen sein soll; oder geschmeidig wie eine Katze, die
heimlich das Mauseloch belauert – ganz Geistesgegenwart, gesammelt zum Sprung.

Die
Gerüchte sprachen dann von Lanzelots Tod. An einer Furt sei er von einem
schwarzen Ritter getötet worden. Er habe mit seinem eigenen Sohn tjostiert, der
ihm das Genick gebrochen habe. Er sei neuerlich wahnsinnig geworden, nachdem
ihn sein Sohn besiegt hatte, und irre nun umnachtet ohne Ziel umher. Seine
Rüstung sei von einem geheimnisvollen Ritter geraubt worden, und ein wildes
Tier habe ihn gefressen. Er habe mit zweihundertfünfzig Rittern gekämpft, sei
gefangengenommen und wie ein Köter aufgeknüpft worden. Nicht wenige am Hofe
glaubten und munkelten, daß er im Schlaf von den Orkneys ermordet worden sei
und unter einem Blätterhaufen begraben liege.
    Der
dünne Rest der Ritterschaft kam hinkend nach, zu zweit und zu dritt, später
einzeln, und schließlich dauerte es Tage, bis wieder mal ein einsamer Reiter
erschien. Die von Sir Bedivere geführte Liste der Getöteten und Vermißten wurde
zum reinen Totenkatalog, da die Vermißten entweder erschöpft zurückkehrten oder
aber durch Augenzeugen für tot erklärt wurden. Die Gerüchte um Lanzelot nahmen
mehr und mehr den Charakter eines Nachrufs an. Er wurde von nahezu allen
geliebt, so daß man von seinem möglichen Tod nur im Flüsterton sprach, um das
Befürchtete nicht durch lautes Bereden Wirklichkeit werden zu lassen. Flüsternd
rühmte man seine Güte, rätselte über sein merkwürdiges Gesicht; über
den-und-den Hieb, den er dem-und-dem versetzt hatte; über die Eleganz seiner
Beinhaltung. Ein paar Pagen und Küchenmägde, die sich lebhaft eines Lächelns
oder eines Weihnachtsgeschenks aus seiner Hand erinnerten, sanken auf feuchten
Kissen in Schlaf, obwohl sie wußten, daß der große Captain sich wohl nicht
einmal ihrer Namen entsinnen konnte. Kay setzte jedermann dadurch in Erstaunen,
daß er mit einem Schniefen erklärte, er selber sei immer ein elender Wicht
gewesen, und dann, sich schneuzend, geschwind den Raum verließ. Am Hofe machte
sich eine zunehmende Spannung bemerkbar und die Ahnung eines Verhängnisses.
    Lanzelot
kehrte in einem Unwetter heim, naß und klein. Er zog einen abgetakelten alten
Schimmel nach, der kaum mehr die Hufe heben konnte.
    Hinter
den beiden hingen dunkle Herbstwolken am Himmel, und die hervorgewölbten Rippen
des Kleppers hoben sich schieferweiß vom indigo-farbenen Hintergrund ab. Ein
Zauber, etwas wie Gedankenübertragung, eine Intuition mußte im Spiele sein:
denn alle Zinnen und Türme der Burg und die Zugbrücke des Großen Tores waren
dicht mit Menschen besetzt, die warteten und Ausschau hielten und mit den
Fingern

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