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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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wiesen, noch ehe er überhaupt erschien. Als die winzige Gestalt
sichtbar wurde, die müde zwischen den fernen Bäumen herantrottete, einsam auf
weitem Plan, erhob sich unter den Wartenden ein Gemurmel. Es war Lanzelot!
Lanzelot, in einem scharlachroten Gewand neben dem weißen Gaul. Er lebte! All
seine Abenteuer waren bis in die Einzelheiten bekannt, bevor ein Wort
gesprochen wurde. Arthur rannte umher wie ein Irrer und rief allen zu, sie
sollten hineingehen, die Zinnen räumen, damit der Mann sich nicht scheue. Als
er dann näherkam, war niemand da, der ihn hätte irritieren können. Nur – das
große Tor stand offen, und Onkel Dap war da, weißhaarig und gebeugt, um sein
Pferd in Empfang zu nehmen. Hunderte von Augenpaaren lugten hinter den
Vorhängen hervor und sahen, wie der heruntergekommene Mann seinem Schildknappen
die Zügel übergab – sahen ihn dastehen mit gesenktem Haupt, das er nicht für
einen einzigen Augenblick gehoben hatte – sahen, wie er sich umdrehte, auf
seine eigenen Gemächer zuging und in der Dunkelheit der Turmtreppe verschwand.
    Zwei
Stunden später meldete sich Onkel Dap in der Kammer des Königs. Er hatte
Lanzelot entkleidet und zu Bett gebracht. Unter dem Scharlachgewand, so sagte
er, habe der Ritter ein feines weißes Tuch getragen – und darunter ein
scheußliches härenes Hemd. Sir Lanzelot hatte ihn mit einer Botschaft
hergeschickt. Er sei sehr müde und erbitte des Königs Pardon. Er werde ihm
morgen seine Aufwartung machen. Mittlerweile aber, um eine unnötige Verzögerung
zu ersparen, solle Onkel Dap dem König die wichtigste Neuigkeit mitteilen: der
Heilige Gral sei gefunden worden. Galahad, Bors und Percivale (den die Fremden
Parzival nannten) hätten ihn gefunden und seien mit ihm und der Leiche von
Percivales Schwester zu Sarras in Babylonien eingetroffen. Der Gral könne nicht
nach Camelot gebracht werden. Bors komme später heim, die anderen jedoch würden
nie mehr zurückkehren.
     
     
     
     
     
    KAPITEL 32
     
     
    Ginevra hatte sich
für diesen Empfang ein bißchen zuviel geschmückt. Sie hatte sich geschminkt,
was sie nicht nötig hatte, und sie hatte es nicht eben geschickt gemacht. Sie
war zweiundvierzig.
    Als
Lanzelot sah, wie sie, an Arthurs Seite, bei Tisch auf ihn wartete, da barst
der Herzbeutel in seiner Brust, und die Liebe, die darin gestaut war,
durchschoß seine Adern. Es war seine alte Liebe zu einem zwanzigjährigen
Mädchen, das stolz neben seinem Thron stand, umringt von Gefangenen, die man
ihm als Geschenk dargebracht hatte. Jetzt jedoch war dasselbe Mädchen umringt
von etwas anderem, umschlossen von schlechtem Make-up und vorlauter Seide,
womit sie der Unabweisbarkeit des menschlichen Geschicks zu trotzen versuchte.
Er sah sie als die leidenschaftliche Verkörperung unschuldiger Jugend, bedroht
nun von dem bösen Trick, mit dem die Jugend hereingelegt wird – dem Trick des
Verrats im Körper, der blühendes Fleisch zu grünen Knochen werden läßt. Ihren
dummen Aufputz fand er nicht vulgär, sondern rührend. Das Mädchen war noch
immer da, immer noch reizvoll hinter der bröckelnden Barrikade aus Rouge. Sie
hatte den tapfersten Protest ausgedrückt: Ich lasse mich nicht besiegen. Hinter
der unbeholfenen Koketterie, der würdelosen Kostümierung war der menschliche
Hilfeschrei. Die jungen Augen blickten verstört, sagten: Ich bin’s, hier
drinnen – was haben sie mit mir gemacht? Ich ergebe mich nicht. Irgendwo wußte
sie, daß der Puder sie zur Vogelscheuche machte, und sie haßte ihn und
versuchte, ihren Liebhaber allein mit den Augen zu fesseln. Die sagten: Sieh
all das andere nicht, sieh mich. Ich bin noch hier, in den Augen. Sieh mich an,
hier in diesem Gefängnis, und hilf mir heraus. Ein anderer Teil sagte: Ich bin
nicht alt, das ist Einbildung. Ich bin wunderhübsch zurechtgemacht. Sieh, wie
ich die Bewegungen der Jugend beherrsche. Ich werde den gewaltigen Armen des
Alters trotzen.
    Lanzelot
sah nur eine einzige Seele, ein verurteiltes und unschuldiges Kind, das seine
unhaltbare Stellung mit den unzureichenden Waffen getönten Haares und
orangefarbener Seide zu behaupten suchte, mit denen es ihm – aus welcher Angst
heraus? – hatte gefallen wollen. Er sah Die erregte Zwergenfaust,
Wolkenwärts geballt voll keckem Mut; Der unbeugbare Stolz des Unterlegnen griff
Den geisterhaften Riesen.
    Arthur
sagte: »Seid Ihr jetzt ausgeruht? Wie fühlt Ihr Euch?«
    »Wir
sind so froh, Euch zu sehen«, sagte Ginevra, »so froh, Euch

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