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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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ließ.
    Lanzenstechen war eine große Kunst und bedurfte der
Übung. Wenn zwei Ritter tjostierten, hielten sie ihre Lanzen in der rechten
Hand; indes spornten sie ihre Pferde so gegeneinander, daß jeder den Gegner
zur Linken hatte. Der Lanzenschaft wurde also auf der dem Gegner abgewendeten
Seite des Körpers gehalten. Das mag jemandem ziemlich verquer vorkommen, der gewöhnt
ist, sagen wir mal, eine Pforte mit der Reitpeitsche zu öffnen, aber es hatte
seine Gründe. Zum einen bedeutete es, daß der Schild am linken Arm war, so daß
die Kontrahenten sich Schild an Schild attakierten, voll geschützt. Zum anderen
bedeutete es, daß ein Mann mit der Seite oder Kante der Lanze vom Pferd
gehoben werden konnte, mittels eines kraftvollen horizontalen Schlags, wenn man
nicht ganz sicher war, ihn mit der Spitze zu treffen. Dies war der
bescheidenste oder stümperhafteste Schlag bei der Tjoste.
    Ein guter Tjostierer, wie Lanzelot oder Tristan,
wandte stets den direkten Stoß an, weil dieser eine größere Reichweite hat,
obwohl er in ungeübten Händen leicht sein Ziel verfehlt. Wenn ein Ritter mit
quergelegter Lanze chargierte, um seinen Gegner aus dem Sattel zu fegen, konnte
ihn der andere mit vorgestreckter Waffe abwerfen – eine Lanzenlänge, bevor der
Querschlag ihm gefährlich wurde.
    Dann ging es darum, wie man die Lanze zum direkten
Stoß hielt. Es war nicht sinnvoll, sich in den Sattel zu ducken und sie
festgepackt zu halten, um auf den Anprall vorbereitet zu sein, denn wenn man
sie derart starr hielt, bewegte sich ihre Spitze im Rhythmus des galoppierenden
Gauls auf und nieder, so daß man sein Ziel praktisch verfehlen mußte. Man mußte
im Gegenteil ganz locker im Sattel sitzen und die Lanze mit leichter Hand gegen
die Bewegungen des Pferdes ausbalancieren. Erst im Augenblick des Zustoßens
preßte man die Schenkel ans Pferd, warf sein Gewicht nach vorn, packte die
Lanze mit der ganzen Hand statt mit Zeigefinger und Daumen und klemmte den
rechten Ellbogen an den Körper, um dem Schaft Halt zu verschaffen.
    Es ging um die Größe des Speers. Ganz klar: ein
Mann mit einem Speer von hundert Schritt Länge würde einen Gegner mit einem
Speer von zehn oder zwölf Fuß aus dem Sattel heben, ehe der letztere ihm
überhaupt nur nahe kam. Aber es war unmöglich, einen hundert Schritt langen
Speer herzustellen, und dann würde man ihn ohnehin nicht tragen können. Der
Tjostierer mußte die größte Länge herausfinden, die er bei größter Geschwindigkeit
bewältigen konnte, und dabei mußte er bleiben. Sir Lanzelot, der einige Zeit
nach diesem Teil der Geschichte auftaucht, hatte Speere mehrerer Größen und
ließ sich seinen Großen Speer oder den Kleinen reichen – je nach Erfordernis.
    Es gab gewisse Stellen, an denen der Feind zu
treffen war. In der Rüstkammer des Castle of the Forest Sauvage befand sich ein
großes Bild eines Ritters in voller Rüstung, um dessen verwundbare Punkte
Kreise gezogen waren. Diese variierten je nach Art der Rüstung, so daß man
seinen Gegner vor Kampfbeginn studieren und sich eine Stelle aussuchen mußte.
Die guten Waffenschmiede – die besten gab es in Warrington, und sie gibt es
noch immer dort in der Nähe – achteten darauf, alle vorderen oder exponierten
Teile ihrer Rüstungen konvex zu machen, so daß die Speerspitze an ihnen
abglitt. Die alten Schilde dagegen waren meist konkav gemacht. Es war besser,
wenn die Spitze des Speers am Schild blieb, als daß sie nach oben oder unten
abglitt und vielleicht einen verwundbaren Teil der Körper-Rüstung traf. Die
beste Stelle, um jemanden zu treffen, war die Helmzier – das heißt, wenn der
Betreffende so eitel war, daß er eine breite Metallzier trug, in deren
Windungen und Ornamenten die Speerspitze guten Halt fand. Und viele waren so
eitel; sie trugen eine Helmzier in Form von Bären und Drachen und gar von
Schiffen oder Burgen; Sir Lanzelot hingegen begnügte sich stets mit einem
blanken Helm oder einem Federbusch, der keinem Speer Widerstand leistete, oder
-in einem Fall – mit dem Ärmel einer gewissen Dame.
    Es würde zu weit führen, auf alle Einzelheiten des
Lanzenstechens einzugehen, welche die beiden Jungen zu lernen hatten, denn
dazumal mußte man ein Meister seines Fachs sein und sein Handwerk von Grund
auf beherrschen. Man mußte wissen, welches Holz sich für Speere am besten
eignete, und wo und wie man sie zu richten hatte, damit sie nicht splitterten
oder sich verzogen. Es gab tausend strittige Punkte in Fragen der

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