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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Das Vergnügen ist der Köder, den selbige auswerfen. Die
Macht wird aus dem individuellen Geist geboren, doch die Macht des Geistes
genügt nicht. Am Ende wird alles durch die Macht des Körpers entschieden.
Macht ist Recht.
    Und jetzt halt’ ich’s für an der Zeit, daß du
gehst, junger Herr, denn ich finde diese Konversation uninteressant und
ermüdend. Wirklich, du solltest schnellstens verschwinden, für den Fall, daß
mein desillusionierter Schlund sich plötzlich entschließen sollte, dich meinen
kolossalen Kiemen einzuverleiben, die ebenfalls Zähne haben. Ja, ich hält’s für
klug, wenn du auf der Stelle gehst. In der Tat, du solltest schleunigst das
Weite suchen. Also dann: empfiehl dich schleunigst meiner ganzen Größe.«
    Wart war geradezu hypnotisiert von solch
aufwendigen Worten, daß er kaum bemerkte, wie sich der grimmige Rachen ihm
immer mehr näherte. Immer dichter heran kam er während des fesselnden Vertrags,
bis er einen Fingerbreit vor seiner Nase drohte. Beim letzten Satz klaffte er
auf, erschreckend, ungeheuerlich; gierig straffte sich die Haut von Knochen zu
Knochen, von Zahn zu Zahn. Nur Zähne schienen sich im Innern zu befinden,
scharfe Zähne, wie Dornen in Reihen und Riegen angeordnet, spitzig gleich
Nägeln an Arbeiterstiefeln; in der allerletzten Sekunde erst gelang es Wart,
sich wiederzufinden, sich zusammenzunehmen, sich seiner Instruktionen zu
erinnern und Reißaus zu nehmen. Mit einem einzigen Schwung seines Schwanzes
preschte er auf und davon, und unmittelbar hinter ihm schnappte das zahnreiche
Gebiß zu.
    Einen Augenblick später war er wieder auf dem trocknen
Land, stand neben Merlin auf der kochend heißen Zugbrücke und keuchte in seinen
klebrigen Kleidern.
     
     
     
     
    KAPITEL 6
     
     
    An einem
Donnerstagnachmittag waren die Jungen wie gewöhnlich beim Bogenschießen.
Fünfzig Schritt auseinander befanden sich zwei Zielscheiben aus Strohgeflecht,
und wenn sie ihre Pfeile auf die eine verschossen hatten, brauchten sie nur
hinzugehen und sie einzusammeln, sich umzudrehen und auf die andere zu
schießen. Es herrschte immer noch herrlichstes Sommerwetter, und zu Mittag
hatte es Hühnchen gegeben. Merlin ging an den Rand des Schießfelds und setzte
sich unter einen Baum. Die Wärme und die gebratenen Hühner und die Sahne, die
er sich über die Süßspeise gegossen hatte, dazu das ständige Hinundherlaufen
der Jungen und das monotone Einschlagen der Pfeile in den Zielscheiben – was
genauso einschläfernd wirkte wie das eintönige Surren eines Rasenmähers oder
das Klick-Klack eines dörflichen Kricketspiels – und dazu noch das Tanzen der
eiförmigen Sonnenkringel auf den Blättern des Baumes – nun, der alte Mann war
bald eingeschlummert.
    Das Bogenschießen bedeutete dazumal eine ernsthafte
Betätigung. Es war noch nicht den Indianern und kleinen Knaben überlassen. Wer
schlecht schoß, wurde mißgelaunt, ähnlich den reichen Fasanenjägern von heute.
Kay schoß schlecht. Er war zu verbissen und riß die Sehne, statt dem Bogen zu
gehorchen.
    »Ach, komm«, sagte er. »Ich bin die blöden Scheiben
leid. Laß uns auf den popinjay schießen«.
    Also kehrten sie den Strohscheiben den Rücken und
Schossen auf den popinjay (das war ein großer künstlicher,
farbenfreudiger Vogel auf der Spitze einer Stange), und Kay traf auch hier
daneben. Zuerst hatte er das Gefühl: Na, ich werd’ das blöde Biest schon
treffen, und sollt’s mich meinen Tee kosten. Dann wurd’s ihm einfach
langweilig.
    Wart sagte: »Wollen wir nicht Freijagd spielen? Wir
können ja in einer halben Stunde wiederkommen und Merlin wecken.«
    Was sie Freijagd nannten, bestand darin, daß sie
mit ihren Bogen loszogen und unterwegs je einen Pfeil auf ein vorher
ausgemachtes Ziel abschössen. Manchmal war’s ein Maulwurfshaufen, manchmal ein
Binsenbüschel, manchmal eine Distel vor ihren Füßen. Stets änderten sie die
Entfernung zu ihrem Ziel. Bisweilen wählten sie eines, das hundertzwanzig
Schritt entfernt war – so weit ungefähr trugen die Bogen der Jungen – , und
bisweilen mußten sie praktisch unter einer nahen Distelstaude hindurch zielen,
weil der Pfeil immer ein oder zwei Fuß aufspringt, wenn er den Bogen verläßt.
Für einen Treffer gab es fünf Punkte; einen Punkt gab es, wenn der Pfeil nicht
weiter als eine Bogenlänge vom Ziel entfernt einschlug; und zum Schluß zählten
sie ihre Punkte zusammen.
    An diesem Donnerstag wählten sie ihre Ziele mit Bedacht.
Das Gras des großen Feldes

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