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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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trotz ihrer Einfalt oder Unwissenheit, nicht ganz
einfach, weil sie sehr sensibel war – sensibler als Ginevra. Freilich fehlten
ihr die Kräfte der extrovertierten und kühnen Königin. Sie war sensibel genug,
ihn nicht mit Willkommensbezeugungen zu überschütten, als er nach so langer
Abwesenheit heimgekehrt war. Sie machte ihm auch keine Vorwürfe: sie hatte nie
das Gefühl gehabt, ihm gegenüber irgendeinen Grund für Vorwürfe zu haben. Und
vor allem fiel sie ihm nicht mit Selbstbemitleidung auf die Nerven. Während
alle in Corbin auf den Ausgang des Turniers warteten, hatte sie ihr Herz fest
in der Hand gehalten und sorgsam die langen Jahre verborgen, während derer sie
auf ihren Herrn und Gebieter gehofft hatte, und die absolute Einsamkeit in der
sie lebte, seit ihr Sohn seiner Wege gezogen war. Lanzelot wußte genau, was sie
verbarg. Er war selber unsicher und sensibel und hatte vergessen, auf welche
Art und Weise ihre sonderbare Beziehung begonnen hatte. Er war dazu
übergegangen, Elaines Kummer ausschließlich als seine eigene Schuld zu
betrachten.
    Was
also konnte er tun, nachdem sie ihre kleine Bitte geäußert – und ihm alle
Tränen, allen Willkommensüberschwang erspart hatte – , was konnte er andres
tun, als ihr zu Gefallen zu sein? Er mußte ihr ja immer noch beibringen, daß
ihre unbeugsame Hoffnung jeder Grundlage entbehrte. Er schob es von sich. Wie
ein Scharfrichter, der weiß, daß er morgen töten muß, so versuchte er, heute
noch ein wenig Freude zu spenden.
    »Lanz«,
sagte sie vor dem Turnier und brachte ihre ungewöhnliche Bitte demütig und
kindlich vor, »werdet Ihr, da wir jetzt beisammen sind, beim Kampf mein Zeichen
tragen?«
    Da
wir jetzt beisammen sind! Und aus ihrer Stimme hatte er die zwanzig Jahre der
Verlassenheit herausgehört; und zum ersten Mal machte er sich klar, daß sie in
dieser ganzen Zeit seine ritterliche Laufbahn verfolgt hatte, wie ein
Schulkind, das auf seinen Schwärm schwört. Das arme Häschen hatte sich alle Kämpfe
vorgestellt – und mit ziemlicher Sicherheit völlig falsch. Sie hatte heimlich
auf Berichte aus zweiter Hand gehorcht, um ihrem darbenden Herzen Nahrung zu
geben; hatte sich bangend und hoffend gefragt, wessen Zeichen heute wohl den
Ehrenplatz einnehmen mochte. Vielleicht hatte sie sich zwanzig Jahre lang
eingeredet, daß der große Champion eines Tages unter ihrem Zeichen kämpfen
werde – einer der lächerlichen Wunschträume, mit denen die unglückliche Seele
sich zu trösten sucht, wenn Handfesteres nicht zu haben ist.
    »Ich
trag’ nie Zeichen«, sagte er wahrheitsgemäß.
    Sie
bettelte nicht und klagte nicht, und ihre Enttäuschung versuchte sie zu
verbergen.
    »Ich
werde Eures tragen«, sagte er sogleich. »Ich werde es mit Stolz tragen.
Außerdem wird’s meiner Verkleidung sehr zuträglich sein. Weil jedermann weiß,
daß ich kein Angebinde trage, wird’s alle irreführen, wenn ich’s trotzdem tue.
Ein guter Gedanke von Euch! Und ich werd’ dann besser kämpfen können. Was soll
mein Zeichen sein?«
    Es
war ein mit großen Perlen bestickter scharlachroter Ärmel. In zwanzig Jahren
kann man allerlei an Stickerei zuwege bringen.
    Vierzehn
Tage nach dem Turnier von Corbin – Elaine pflegte ihren darniederliegenden
Helden hingebungsvoll – hatte Ginevra bei Hofe eine Auseinandersetzung mit Sir
Bors. Als Weiberfeind hatte Bors häufig unliebsame Szenen mit Frauen. Er sagte,
was er dachte, und sie sagten, was sie dachten, und keiner verstand den anderen
auch nur im geringsten.
    »Ach,
Sir Bors«, sagte die Königin, die ihn in größter Eile hatte herbeirufen lassen,
nachdem sie von dem roten Ärmel erfahren hatte (Bors war einer der nächsten
Anverwandten von Lanzelot). »Ach, Sir Bors, habt Ihr vernommen, mit welchem
Falsch Sir Lanzelot mich hat betrogen?«
    Bors
bemerkte, daß die Königin vor Zorn fast außer sich war. Er errötete heftig und
sagte mit übertriebener Friedfertigkeit: »Wenn hier jemand betrogen wurde, dann
Lanzelot. Er ist von drei Rittern gleichzeitig tödlich verwundet worden.«
    »Und
ich bin froh«, schrie die Königin, »froh, das zu hören! Gut war’s, wenn er
stürbe. Ein falscher, verräterischer Ritter ist er!«
    Bors
zuckte mit den Schultern und drehte ihr den Rücken zu, als wolle er ihr sagen,
daß er auf derlei Reden nicht höre. Als er zur Tür ging, zeigte sein breiter
Rücken genau an, was er von Frauen hielt. Die Königin eilte ihm nach, um ihn
notfalls mit Gewalt zurückzuhalten. So leicht

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