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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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wollte sie sich nicht um diese
Szene bringen lassen.
    »Wieso
sollt’ ich ihn nicht Verräter nennen«, kreischte sie, »wenn er den roten Ärmel
auf dem Kopfe trug, bei den großen Tjosten?«
    Bors
befürchtete, tätlich angegriffen zu werden, und sagte: »Das mit dem Ärmel
bedaure ich. Hätte er ihn nicht als Verkleidung getragen, wären sie vielleicht
nicht zu dritt auf ihn losgegangen.«
    »Pfui
ihm«, stieß die Königin hervor. »Jedenfalls hat er ordentlich Prügel bekommen –
bei all seinem Stolz und seiner Angeberei. Er ist in fairem Kampf geschlagen
worden.«
    »Nein,
ist er nicht. Drei gegen einen. Und dazu kam, daß seine alte Wunde wieder
aufgebrochen ist.«
    »Pfui
ihm«, wiederholte die Königin. »Ich hab’ Sir Gawaine vor dem König sagen hören,
wie wunderbar es doch sei, daß er Elaine so liebe.«
    »Ich
kann Gawaine nicht daran hindern, zu sagen, was er will«, entgegnete Sir Bors
hitzig, verzweifelt, pathetisch, wütend und voll Entsetzen. Dann ging er hinaus
und schlug die Tür hinter sich zu, so daß die Punkte ziemlich gleich verteilt
waren.
    In
Corbin hielten sich Elaine und Lanzelot bei den Händen. Er lächelte sie
unbeholfen an und sagte mit matter Stimme: »Arme Elaine. Ihr scheint mich immer
nur in Pflege zu haben, hinterher. Mich selber habt Ihr nur dann, wenn ich
halblebig bin.«
    »Jetzt
hab’ ich Euch für immer«, sagte sie strahlend.
    »Elaine«,
sagte er, »ich möcht’ mit Euch reden.«
     
     
     
     
     
    KAPITEL 40
     
     
    Als der Mißratene
Ritter von Corbin zurückkam, war Ginevra immer noch voll Wut. Aus irgendeinem
Grunde hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, daß Elaine wieder seine Geliebte
geworden sein müsse; vielleicht, weil sie auf diese Weise ihren Liebhaber am
tiefsten verletzen konnte. Sie behauptete, er habe seine religiösen Gefühle nur
vorgetäuscht – was dadurch bewiesen sei, daß er sich bei erstbester Gelegenheit
schnurstracks zu Elaine begeben habe. Dies, so sagte sie, sei die ganze Zeit
über sein heimliches Ziel gewesen. Er sei ein Heuchler, und ein schwacher
Heuchler dazu. Sie hatten hysterische Dispute miteinander, über seine Schwäche,
seine Heuchelei, und diese Szenen wechselten mit anderen, die freundlicherer
Natur waren und dazu bestimmt, die Vorstellung auszubalancieren, daß sie ihr
ganzes Leben lang einen Heuchler geliebt habe. Allmählich sah sie gesünder aus,
infolge dieser Streitereien, ja sogar wieder schön. Doch bildeten sich zwischen
ihren Augenbrauen zwei Furchen, und bisweilen hatte sie einen beängstigenden
Blick; dann funkelten und glitzerten ihre Augen gleich Diamanten. Lanzelot
bekam einen verbissenen Ausdruck. Beide wurden unsicher, ziellos, zerfahren.
    Elaine
hatte man die Sachlage erklärt, und Elaine war es, die nun den einzigen
kräftigen Schlag ihres Lebens tat, unbeabsichtigt, indem sie Selbstmord beging.
    Ein
Toten-Nachen kam den Fluß herab zur Hauptstadt – dazumal bildeten die Flüsse
die Hauptverbindungswege – , und er wurde unterhalb der Burgmauern verankert.
Sie war darauf: das immer hilflose Häschen. Wahrscheinlich begehen Menschen
Selbstmord aus Schwäche, nicht aus Stärke. Elaines sanfte Bemühungen, die Hand
der Vorsehung zu leiten, indem sie ihren Herrn und Meister mit dürftigen Tricks
verlockte und sich dann mit heimlichen Gegenleistungen revanchierte – all dies
hatte nicht ausgereicht, im Despotismus des Lebens sich durchzusetzen. Ihr Sohn
war fort, ihr Geliebter war fort, und nichts war ihr geblieben. Sogar das
Versprechen der Wiederkehr war ihr entglitten, als sie danach greifen wollte.
Einst war es etwas gewesen, für das zu leben sich lohnte, eine Art von Geländer
– kein besonders großartiges Geländer, doch stabil genug, sich daran
festzuhalten. Sie hatte es mit Erfolg benutzt. Da sie niemals hochfahrend oder
heischend gewesen war, hatte sie sich auf weite Strecken mit Wenigem begnügt.
Nun aber gab es auch dies Wenige nicht mehr.
    Jedermann
ging hinab, den Nachen anzusehen. Es war keine Lilienmaid von Astolat, was sie
da sahen, sondern eine Frau in mittleren Jahren, deren Hände, in steifen
Handschuhen, gehorsam den Rosenkranz hielten. Der Tod ließ sie älter und anders
erscheinen. Das strenge, graue Gesicht auf dem Nachen war offensichtlich nicht
Elaine – die war entweder woanders hingegangen oder gänzlich entschwunden.
    Ob
Lanzelot nun ein Schwächling war oder ein Wettspielnarr oder jene
unausstehliche Person, die ständig versucht, anständig zu sein: jedenfalls
scheint er

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