Der König auf Camelot

so daß man sie fast vor
sich sieht: den edlen Schnitt ihrer schweren Schuppenpanzer, die Bemalung ihrer
Wappenschilde und die fröhlichen Farben eines jeden Helmbuschs. Mit ihren
befiederten Köpfen wirkten sie wie Indianerhäuptlinge. Beim Gehen klirrten ihre
Sporen erregend. Sie knieten nieder, und Sir Urre zuckte zusammen, und der
Erfolg blieb aus.
    Lanzelot
erhängte sich nicht mit den Zügeln. Er hatte sein Tabu verletzt und seinen
Freund betrogen, er war zu Ginevra zurückgekehrt und hatte Sir Meliagrance in
unrechtem Kampf gemordet. Jetzt war er bereit, seine Strafe zu empfangen. Er
ging zu der langen Reihe der Ritter, die in der Sonne warteten. Durch sein
Bemühen, unbemerkt zu bleiben, war er an den exponierten letzten Platz
gekommen. Er schritt den Reigen der Neugierigen ab, häßlich wie eh und je,
befangen, schamvoll: ein alter Kämpe auf seinem letzten Gang. Mordred und
Agravaine rückten vor.
    Als
Lanzelot vor Urre niederkniete, sagte er zu König Arthur: »Muß ich’s tun,
nachdem alle ändern versagten?«
    »Natürlich
müßt Ihr’s tun. Ich befehl’s Euch.«
    »Wenn
Ihr’s mir befehlt, muß ich’s tun. Aber es wäre anmaßend, es zu versuchen – nach
allen ändern. Könnt’ ich nicht ausgelassen werden?«
    »Das
seht Ihr falsch«, sagte der König. »Es ist mitnichten anmaßend, es zu
versuchen. Wenn Ihr’s nicht könnt, kann’s keiner.«
    Sir
Urre, schon recht geschwächt, stützte sich auf einen Ellbogen.
    »Bitte«,
sagte er. »Zu Euch bin ich gekommen, daß Ihr mich heilt.«
    Lanzelot
hatte Tränen in den Augen.
    »Ach,
Sir Urre«, sagte er, »könnt’ ich Euch doch helfen – wie gerne würd’ ich’s tun.
Aber Ihr versteht nicht, Ihr versteht nicht.«
    »Um
der Barmherzigkeit willen«, sagte Sir Urre.
    Lanzelot
blickte gen Osten, wo er Gott vermutete, und sprach im Innern zu ihm. Mehr oder
weniger war es dies: »Ich will keinen Ruhm, doch kannst Du, bitte, unsre Ehre
retten? Und wenn Du diesen Ritter um des Ritters willen heilen möchtest, dann
tu’s, bitte.« Alsdann bat er Sir Urre, ihm seinen Kopf zu zeigen.
    Ginevra,
die in ihrem Pavillon wie ein Habicht auf der Lauer war, sah die beiden Männer
beisammen. Dann sah sie, wie Bewegung in die Umstehenden kam; Murmeln wurde laut,
Schreie ertönten. Edelleute warfen ihre Kappen in die Luft und jubelten und
schüttelten sich die Hände. Arthur rief immer wieder dieselben Worte aus, hielt
den groben Gawaine am Ellbogen gepackt und schrie sie ihm ins Ohr: »Zugeklappt
wie eine Kiste! Zugeklappt wie eine Kiste!« Einige ältere Ritter tanzten umher,
schlugen ihre Schilde gegeneinander wie übermütige Burschen und knufften sich
gegenseitig in die Rippen. Knappen lachten wie Wahnsinnige und schlugen sich
auf die Schultern. Sir Bors küßte König Anguish von Irland, der das nicht
mochte. Sir Galahalt, der hault prince, war über seine Säbelscheide
gestolpert. Der großmütige Sir Belleus, der nicht grollte, daß man ihm an jenem
fernen Abend neben dem Pavillon aus roter Seide die Leber aufgeschlitzt hatte,
brachte ein scheußliches Geräusch hervor, indem er auf einem zwischen die
Daumen geklemmten Grashalm blies. Sir Bedivere, seit seinem Besuch beim Papst
rastlos reuig, klapperte mit ein paar heiligen Gebeinen, die er als Souvenir
von seiner Pilgerfahrt mitgebracht hatte und auf denen in verschlungenen
Buchstaben stand: gruss aus rom. Sir
Bliant umarmte in der Erinnerung an seinen feinen Wilden Mann Sir Castor, der
des Chevaliers ritterliche Rüge nicht vergessen konnte. Der König und der
sensible Aglovale, der die Pellinore-Fehde vergeben und vergessen machen
wollte, tauschten mit dem schönen Gareth Püffe aus. Mordred und Agravaine
blickten finster drein. Sir Mador rangelte, rot wie ein Trathahn, mit Sir
Pinel, dem Vergifter, der inkognito zurückgekehrt war. König Pelles versprach
allen rings umher ein neues Gewand auf seine Kosten. Der schneehaarige Onkel
Dap, mittlerweile märchenhaft alt, versuchte ständig, über seinen Gehstock zu
springen. Die Zelte wurden niedergelegt, die Banner flatterten. Die Hochrufe,
die nun, Runde um Runde, erklangen, rauschten wie Trommelwirbel oder Donnerhall
um die Türme von Carlisle. Das ganze Feld, und alle Leute auf dem Feld, und
alle Burgtürme – alles schien auf und nieder zu hüpfen wie die Oberfläche eines
Sees bei Regen.
    In
der Mitte, ganz vergessen, kniete einsam ihr Geliebter. Diese verlorene und
reglose Gestalt kannte ein Geheimnis, das den anderen verborgen war. Das