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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Mode, Modernität
und Verfall, welche die Tafelrunde im Kern zersetzt hatten, schienen verbannt,
und seine großartige Idee befand sich neuerlich auf dem Vormarsch. Er führte
Recht als Macht ein. Auch privat hatte Arthur keinen Grund zu Vorwürfen; er
hatte sich von den Problemen Ginevras und Lanzelots ferngehalten, indem er
insgeheim hoffte, daß sie ihm diese Angelegenheit nicht zum Bewußtsein bringen
würden – nicht aus Angst oder schwächlicher Duldung, sondern aus höchst
achtbaren Motiven. Die Macht hatte in der Hand des Königs gelegen. Er war in
der Lage eines Ehemannes gewesen, der das Problem des Ewigen Dreiecks mit einer
simplen Handbewegung hätte lösen können: Henker oder Scheiterhaufen. Seine Frau
und deren Liebhaber waren allein auf seine Gnade angewiesen gewesen: und das
war der Grund – nicht Feigheit – , weshalb sein großmütiges Herz sich
entschieden hatte, im Unbewußtsein zu verbleiben.
    Der
Nachsommer nahte, Gerüchte waren zum Verstummen gebracht, Unhöflichkeit war
bezähmt. Der Orkney-Clan konnte nur murren: ein fernes und fast unterirdisches
Grollen. In den scriptoria der Abteien und auf den Schlössern und Burgen
der Adligen saßen die Schreiber an ihren Meßbüchern und Abhandlungen über das
Rittertum, während die Illuminatoren die Initialen ausmalten und sorgsam die
Wappenschilde zeichneten. Die Goldschmiede und Silberschmiede hämmerten munter
drauflos; mit kleinen Hämmerchen bearbeiteten sie Blattgold; sie drehten
Silberdraht und verzierten die Bischofsstäbe mit kunstvoll verschlungenen
Einlegearbeiten. Hübsche Damen hielten sich Rotkehlchen und Sperlinge als
Haustiere und mühten sich hingebungsvoll, ihren Elstern das Sprechen
beizubringen. Auf Vorratshaltung bedachte Hausfrauen füllten ihre Schränke mit
Sirup, einer Arznei gegen schlechtes Aussehen, mit selbstgemachtem Pflaster, Flos
Unguentorum genannt, gegen Rheuma, und mit Moschuskugeln für den guten
Geruch. Sie wappneten sich für die Fastenzeit, indem sie Datteln kauften und
grünen Mandel-Ingwer und Heringe zu 4s. 6d. die Pferdeladung. Falkoniere und
Austringer beschimpften wechselweise ihre Falken nach Herzenslust. An den neuen
Gerichtshöfen – mit Fort Mayne war’s vorbei – eiferten die
Rechtsgelehrten mit Bienenfleiß und erließen Vorladungen wegen Ehrenschändung,
Vormundschaft, widerrechtlicher Aneignung von Besitz, Pfändung,
Zwangsvollstreckung, Bestechung, fieri fa-cias, Unterhaltspflicht,
Rückgabe von Besitz, Durchgangsrecht, Untersuchung und Entscheidung, Abgaben
auf Heller und Pfennig, Quorum bono-rum, Sie et non, Pro et Contra, Jus
primae noctis und Questio quid Juris? Diebe konnten – das ist wahr –
, wenn sie Güter im Wert von einem Schilling gestohlen hatten, gehenkt werden,
(die Kodifizierung des Rechts war noch schwach und verworren); aber das war
nicht so schlimm, wie es klingt, wenn man bedenkt, was alles man für einen
Schilling kaufen konnte: zwei Gänse oder vier Gallonen Wein oder achtundvierzig
Brote – gewiß eine recht beschwerliche Last für einen Dieb. Bei Sonnenuntergang
spazierten die Liebenden, wenn sie nicht zu den besseren Ständen gehörten, auf
den Landwegen einher und hielten sich um die Taille gefaßt, weshalb sie, von
hinten betrachtet, wie ein großes X aussahen.
    In
Arthurs Gramarye herrschte Frieden, und die Freuden des Friedens dehnten sich
vor Lanzelot und Ginevra weithin aus. Aber ihr schwieriges Dreiecksverhältnis
hatte ja noch eine vierte Ecke.
    Gott
war Lanzelots Totem. Er war die andere Person in ihrem Kampf, und jetzt wählte
Er den entscheidenden Augenblick, ihren Weg zu kreuzen. Der kleine Bub, der in
die Wölbung des Eisenhutes guckte und von Brunnenwasser träumte, das stets
seinen Lippen entschwand, hatte den Ehrgeiz gehegt, Wunder zu tun. Ein Wunder
hatte er zustandegebracht, indem er, als bester Ritter der Welt, Elaine aus ihrer
Wanne rettete – ehe er Elaine an jenem schrecklichen Abend ins Garn ging und
sein Tabu brach. Ein Vierteljahrhundert lang hatte er sich dieser Nacht mit
Gram erinnert, und die Erinnerung hatte ihn auf der Hohen Suche nach dem Gral
begleitet. Vorher hatte er sich für einen Mann Gottes gehalten, hernach war’s
Schwindel gewesen. Jetzt aber, schließlich und endlich, war die Zeit gekommen,
da er gezwungen wurde, seinem Schicksal ins Auge zu blicken.
    Es
gab einen Ritter aus Ungarland mit Namen Sir Urre, der sieben Jahre zuvor bei
einem Turnier Verletzungen davongetragen hatte. Er hatte mit einem Manne namens
Sir

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