Der König auf Camelot
wir.«
»Wißt Ihr«, fragte er sie freundlich, »daß
sie früher schon mal erhoben worden ist?«
»Es war’ verwunderlich, wenn’s noch keiner
getan hätte.«
»Als das letzte Mal Gerüchte dieser
Art zirkulierten, waren sie von einem gewissen Sir Meliagrance in die Welt
gesetzt worden. Da die Angelegenheit auf keine andere Weise bewiesen werden
konnte, wurde beschlossen, die Entscheidung im Zweikampf zu fällen. Sir
Meliagrance beschuldigte die Königin des Verrats und erbot sich, für seine
Meinung zu kämpfen. Zum Glück hatte Sir Lanzelot die Freundlichkeit, für Ihre
Majestät einzustehen. Ihr werdet Euch erinnern, welches Ende die Sache nahm.«
»Wir erinnern uns genau.«
»Als der Kampf schließlich stattfand, lag
Sir Meliagrance flach auf dem Rücken und wollte partout sich ihm ergeben. Es
war unmöglich, ihn zum Aufstehen zu bewegen, bis Lanzelot sich erbot, seinen
Helm und die linke Hälfte seines Panzers abzulegen und sich eine Hand im Rücken
festbinden zu lassen. Sir Meliagrance nahm das Angebot an und wurde in Stücke
gehauen, wie ihm gebührte.«
»All das wissen wir«, rief der jüngste
Bruder ungeduldig. »Ein Zweikampf besagt gar nichts. Das ist eine unfaire
Methode der Rechtsprechung. Die Strolche sind’s, die dabei gewinnen.«
Arthur seufzte und faltete die Hände. Er
fuhr mit der gleichen ruhigen Stimme wie bisher fort.
»Ihr seid noch sehr jung, Mordred. Ihr
müßt noch lernen, daß nahezu alle Arten der Rechtsprechung unfair sind. Wenn
Ihr ein Verfahren vorschlagen könnt, wie man, anders als durch Zweikampf,
strittige Fälle beilegen kann, dann will ich es gern damit versuchen.«
»Weil Lanzelot stärker ist als die ändern
und immer für die Königin eintritt, so heißt das doch nicht, daß die Königin
immer im Recht ist.«
»Gewiß nicht. Aber strittige Fälle müssen
nun einmal beigelegt werden, wenn wir damit konfrontiert sind. Falls eine
Behauptung nicht bewiesen werden kann, muß die Affäre eben auf irgendeine
andere Art und Weise bereinigt werden, und fast alle verfügbaren Methoden sind
irgend jemandem gegenüber unfair. Es ist nicht so, daß Ihr gegen den Champion
der Königin in eigener Person würdet kämpfen müssen, Mordred. Ihr könntet
Konditionsschwäche geltend machen und den stärksten Mann, den Ihr kennt, an
Eurer Statt kämpfen lassen – und die Königin würde sich natürlich den stärksten
Mann aussuchen, den sie kennt, damit der für sie kämpfe. Es wäre nicht
prinzipiell anders, wenn jeder von Euch den besten Disputanten, den er kennt,
in Dienst nähme, damit der im Rededuell Eure Sache ausfechte. Letzten Endes
gewinnt meistens der Reichste, ob er nun den teuersten Anwalt oder den
teuersten Kämpfer angeheuert hat. Es hat also nicht viel Sinn, so zu tun, als
sei dies einfach eine Frage der Kraft, der brutalen Gewalt. –
Nein, Agravaine«, fuhr er fort, als dieser
sich anschickte, das Wort zu ergreifen, »unterbrecht mich im Augenblick nicht.
Ich möchte klarstellen, was es mit diesen Entscheidungen durch Zweikampf auf
sich hat. So weit ich das sehen kann, ist’s eine Frage des Reichtums – des
Reichtums und des schieren Glücks. Und dann ist da natürlich noch der Wille
Gottes. Wenn die Reichtümer gleichmäßig verteilt wären, könnten wir sagen, daß
die glücklichere Partei gewinnt – wie beim Münzenwerfen. Nun, seid Ihr beiden
sicher, daß Eure Partei, wenn Ihr Königin Ginevra des Verrats beschuldigen
wolltet, die vom Glück begünstigte Partei sein würde?«
Agravaine schaltete sich mit seiner
geheuchelten Schüchternheit in das Gespräch ein. Er hatte sich im Trinken
zurückgehalten, und seine Hände zitterten nicht.
»Um Vergebung, Onkel. Was ich sagen
wollte, ist dies: Wir hofften, die Angelegenheit lasse sich ohne jeden
Zweikampf klären.«
Arthur blickte rasch auf.
»Ihr wißt ganz genau«, sagte er, »daß
Gerichtsentscheide durch Gottesurteil abgeschafft worden sind; und falls man es
mit der ›Reinigung durch Eideshelfer‹ versuchen wollte, bekäme man für eine
Königin niemals die erforderliche Anzahl von Gleichrangigen zusammen.«
Agravaine lächelte.
»Wir wissen über das neue Gesetz nicht
allzu gut Bescheid«, sagte er schmeichlerisch, »aber wir dachten: Falls eine
Behauptung vor einem Eurer neuen Gerichtshöfe bewiesen werden kann, so erübrigt
sich ein Zweikampf von vornherein. Mag sein, daß diese unsere Überlegung falsch
gewesen ist.«
»Schwurgerichtsverfahren«, bemerkte Sir Mordred geringschätzig,
»nennt
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