Der König auf Camelot
er nicht überhört werden konnte, »nur recht und
billig, daß in unsrer Tafelrunde endlich Gerechtigkeit geübt wird.«
Agravaine, der ebenfalls tat, als habe er
keinen kommen hören, antwortete: »Es ist an der Zeit, daß jemand die Wahrheit
ausspricht.«
»Mordred, sei still!«
»Und nichts als die Wahrheit!« schloß der
Bucklige in triumphalem Ton.
Arthur, der mit hallenden Schritten durch
die steinernen Korridore seines Palastes gegangen war, in Gedanken schon ganz
bei der Arbeit, die er vor sich hatte, blieb abwartend im Vorraum stehen, ohne
ein Zeichen des Erstaunens. Die Männer mit Sparren und Distel erblickten, als
sie sich umwandten, den alten König in der letzten Minute seiner Herrlichkeit,
seines Glücks. Ein paar Herzschläge lang standen sie stumm da, und Gareth sah
ihn, in schmerzlichem Erkennen, wie er wirklich war. Er sah keinen romantischen
Helden, sondern einen schlichten Mann, der sein Bestes getan hatte – keinen
Anführer der Ritterschaft, sondern den Schüler, der sich bemüht hatte, seinem
sonderbaren Lehrer, dem Zauberer, treu zu bleiben, indem er dachte, all
die Zeit; er sah nicht Arthur von England, sondern einen einsamen alten Herrn,
der seine Krone ein halbes Menschenalter hindurch getragen hatte, unter der
Klaue des Schicksals.
Gareth warf sich aufs Knie.
»Es hat nichts mit uns zu tun!«
Gawaine, der sich langsamer auf ein Knie
niederließ, schloß sich ihm an.
»Sir, ich kam, meine Brüder in Zucht zu
nehmen, aber sie wollen nicht auf mich hören. Ich möcht’ nich’ hören, was sie
sagen mögen.«
Gaheris kniete als letzter nieder.
»Wir möchten gehn, bevor sie sprechen.«
Arthur kam herein und half Gawaine
zuvorkommend auf.
»Natürlich könnt Ihr gehn, mein Lieber«,
sagte er, »wenn Ihr’s wirklich wollt. Hoffentlich verursache ich keinen
Familienzwist?«
Gawaine wandte sich finster an die ändern.
»Es ist ein Zwist«, sagte er und zog die
alte Rittersprache wie einen Mantel um sich, »ein Zwist, ach, der die Blüte des
Rittertums auf der ganzen Welt zerstören wird; ein Unheil für unsre noble
Gemeinschaft – und alles nur zweier unsel’ger Ritter wegen!«
Als Gawaine voller Verachtung den Raum
verlassen hatte, Gaheris vor sich her schiebend und gefolgt von Gareth, der
eine hilflose Geste machte, schritt der König schweigend zu seinem Thron. Er
nahm zwei Kissen vom Sitz und legte sie auf die Stufen.
»Nun wohl, meine Neffen«, sagte er
gelassen, »setzt Euch nieder und sagt mir, was Ihr wünscht.«
»Wir würden lieber stehenbleiben.«
»Ihr könnt’s halten, wie Ihr wollt,
natürlich.«
Ein solcher Beginn behagte Agravaine durchaus
nicht. Er widersprach: »Ach, Mordred, komm! Wir werden uns doch nicht mit
unserm König streiten. Kommt nicht in Frage.«
»Ich werde stehen.«
Agravaine setzte sich ergeben auf eines
der Kissen.
»Mögt Ihr nicht beide Kissen benutzen?«
»Nein, habt Dank, Sir.«
Der alte Mann wog ab und wartete – wie
jemand, der gehenkt werden soll und sich dem Henker fügt, doch keine
Notwendigkeit sieht, beim Anbringen der Schlinge zu helfen. Er beobachtete sie
mit müder Ironie und überließ die Arbeit ihnen.
»Vielleicht war’s klüger«, sagte Agravaine
mit wohlgespieltem Widerstreben, »nicht weiter davon zu reden.«
»Vielleicht war’s das.«
Mordred fuhr dazwischen.
»Das ist ja lächerlich. Wir sind gekommen,
unserm Onkel etwas zu sagen, und es ist nur Rechtens, daß er’s erfährt.«
»Es ist unangenehm.«
»In diesem Falle, meine lieben Jungen,
wenn’s Euch so lieber ist, wollen wir über die Angelegenheit nicht weiter
reden. Diese Frühlingsnächte sind zu schön, als daß wir uns mit unangenehmen
Dingen plagen sollten. Weshalb also geht Ihr beiden nicht zu Gawaine, um wieder
einzurenken? Ihr könntet ihn bitten, daß er Euch für morgen seinen talentierten
Habicht leiht. Die Königin erwähnte eben, wie gern sie zu Mittag einen schönen
zarten Junghasen essen würde.«
Er kämpfte für Ginevra – vielleicht für
sie alle.
Mordred starrte seinen Vater mit
funkelnden Augen an und verkündete ohne Einleitung: »Wir sind hergekommen, Euch
zu sagen, was jedermann an diesem Hofe schon immer weiß: Königin Ginevra ist
Sir Lanzelots Mätresse.«
Der alte Mann beugte sich vor, um seinen
Mantel in Ordnung zu bringen. Er legte ihn über seinen Füßen zusammen, um sie
warmzuhalten, richtete sich wieder auf und blickte ihnen ins Gesicht.
»Seid Ihr bereit, diese Anschuldigung zu
beweisen?«
»Das sind
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