Der König auf Camelot
um Lanzelot fernzuhalten. Was ist
mit der Jagdpartie, an der Ihr nächste Woche teilnehmen wollt? Wenn Ihr da
nicht mitmacht, ändert Ihr bewußt Eure Pläne, um den Gang der Gerechtigkeit zu
behindern.«
»Niemand kann den Gang der Gerechtigkeit
aufhalten, Agravaine.«
»Also werdet Ihr auf die Jagdpartie gehen,
Onkel Arthur, und wir haben die Erlaubnis, ins Gemach der Königin einzudringen,
falls Lanzelot sich dort befinden sollte?«
Die Schadenfreude in seiner Stimme war so
schamlos, daß sie sogar Mordred mißfiel. Der König stand auf und zog sein
Gewand um sich, als brauche er Wärme.
»Wir wollen gehen.«
»Und Ihr werdet’s ihnen nicht vorweg
verraten?« Seine Stimme überschlug sich vor Erregung. »Ihr werdet sie nicht
warnen, jetzt, nachdem wir die Anschuldigung vorgebracht haben? Das wäre nicht
fair.«
»Fair?« fragte er.
Er sah sie an, wie aus weiter Ferne. Er
schien alles abzuwägen: Wahrheit, Gerechtigkeit, Bosheit und das
Menschlich-Allzumenschliche.
»Ihr habt unsere Erlaubnis.«
Seine Augen kehrten aus der Ferne zurück
und fixierten die beiden mit durchdringendem Falkenblick.
»Darf ich aber, Mordred und Agravaine,
kurz als Privatperson sprechen, so sage ich Euch: Die einzige Hoffnung, die ich
noch habe, ist die, daß Lanzelot Euch beide und alle Zeugen töten möge – eine
Tat, deren mein Lanzelot noch immer fähig ist, wie ich voll Stolz behaupten darf.
Und auch dies darf ich, als Diener der Gerechtigkeit, noch hinzufügen: Solltet
Ihr bei dem Versuch, diese ungeheuerliche Anklage zu beweisen, auch nur den
geringsten Fehler begehen, so werde ich Euch beide mit der ganzen Strenge jenes
Gesetzes verfolgen, das Ihr selber in Bewegung gesetzt habt.«
KAPITEL 6
Lanzelot wußte, daß der König im New Forest auf die Jagd gegangen
war; deshalb schien es ihm sicher, daß die Königin ihn holen lassen werde. Es
war dunkel in seinem Schlafgemach; nur das Licht vor dem heiligen Bilde
brannte.
Er ging in einem Morgenrock auf und ab.
Abgesehen von diesem
lockerluftigen Gewand und einer Art Turban, den er sich um den Kopf geschlungen
hatte, war er bereit fürs Bett – das heißt: er war nackt.
Der Raum, in dem er sich befand, war
düster und ohne jeden Luxus. Die Wände waren kahl, und die kleine, harte
Liegestatt wurde von keinem Baldachin überdacht. Die Fenster waren nicht
verglast; sie waren mit einem öligen Linnen bespannt. Große Heerführer benutzen
gern solch karge Feldbett-Kammern (von Wellington etwa erzählt man, er habe in
Walmer Castle gemeinhin auf einer Pritsche genächtigt): leere Zellen, in denen,
neben dem Lager, nur noch ein Stuhl oder vielleicht ein alter Überseekoffer zu
finden ist. In Lanzelots Raum stand eine sargartige Truhe mit Metallbeschlägen.
Außer dieser Kiste und dem Bett gab es nichts zu sehen – nur sein gewaltiges
Schwert, das an der Wand lehnte, mit herabhängenden Gurten.
Auf der Truhe lag ein Eisenhut. Nach einer
Weile nahm er ihn in die Hand und trug ihn zum heiligen Licht, wo er mit dem
gleichen verwirrten Ausdruck sein Spiegelbild im gewölbten Metall betrachtete,
wie er’s als Junge getan hatte. Er legte den Helm weg und ging von neuem auf
und ab.
Als es an der Tür klopfte, hielt er dies
für das erwartete Zeichen. Er packte sein Schwert, langte nach dem Riegel – da
öffnete sich die Tür von selbst. Gareth kam herein.
»Darf ich?«
»Gareth!«
Überrascht sah er ihn an und sagte dann
ohne große Begeisterung: »Kommt herein. Wie schön, Euch zu sehen.«
»Lanzelot, ich bin gekommen, Euch zu
warnen.«
Nach einem prüfenden Blick grinste der
alternde Mann.
»Du meine Güte!« sagte er. »Ihr werdet
mich doch wohl nicht vor etwas Ernsthaftem warnen wollen?«
»Doch. Es ist ernst.«
»Nun, so kommt herein und schließt die Tür.«
»Lanzelot, es ist wegen der Königin. Ich
weiß nicht, wie ich anfangen soll.«
»Dann spart Euch die Mühe.«
Er faßte den Jüngeren bei den Schultern
und schob ihn zur Tür.
»Es war reizend von Euch, mich zu warnen«,
sagte er, wobei er die Schultern preßte, »doch Ihr könnt mir, glaube ich,
nichts erzählen, was ich nicht schon wüßte.«
»Ach, Lanzelot. Ihr wißt doch, daß ich
alles tun würde, um Euch zu helfen. Ich weiß nicht, was die ändern sagen, wenn
sie erfahren, daß ich bei Euch war. Aber ich könnt’ nicht anders.«
»Was tut sich?«
Er hielt inne und blickte ihn wieder an.
»Agravaine und Mordred. Sie hassen Euch.
Jedenfalls Agravaine. Er ist eifersüchtig.
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