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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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allem?«
    »Ja, Küchenpage. Und zwar sofort. Um
Himmels willen, schaut nicht so niedergeschlagen drein! Überlaßt es ruhig dem
altgedienten Schurken und marschiert ins Bett.«
    »Das heißt: Lebwohl, adieu.«
    »Quatsch. Es heißt: Gute Nacht. Und
überdies: Die Königin wartet.«
    Der alte Mann warf sich einen Umhang über
die Schultern – mit schwungvoller Leichtigkeit, als befinde er sich noch in der
Blüte seiner Jugend. Er hob den Riegel und stand im Vorraum und überlegte, was
er vergessen haben mochte.
    »Wenn ich Euch nur zurückhalten könnte!«
    »Je nun, Ihr könnt’s nicht.«
    Er trat in die Dunkelheit des Gangs,
schüttelte seine Überlegungen ab und verschwand. Was er vergessen hatte, war
sein Schwert.
     
     
     
    KAPITEL 7
     
     
    Ihr graues Haar bürstend, wartete Ginevra
im Kerzenschimmer ihres prächtigen Schlafgemachs auf Lanzelot. Sie sah
ungewöhnlich liebreizend aus, nicht wie ein Filmstar, sondern wie eine Frau,
die eine voll entwickelte Seele hat. Sie sang vor sich hin. Sie sang,
ausgerechnet, das schöne Veni, Sancte Spiritus – ein Lied, das von einem
Papst stammen soll.
    Die Kerzenflammen, die still in der
Nachtluft standen, wurden von den goldnen Löwen widergespiegelt, die den
tiefblauen Betthimmel trugen. Reich facettiertes Schmuckwerk funkelte auf den
Kämmen und Bürsten. Ein großer, blinkender Schrein war getäfelt mit Heiligen
und Engeln aus Emaille. Die brokatenen Wandbehänge erstrahlten in weichem
Faltengewoge, und auf dem Boden lag – welch irrer, sündhafter Luxus! – ein
Teppich, ein wirklicher Teppich. Wer ihn betrat, tat dies nur mit Scheu; denn
Teppiche waren ursprünglich nicht für den Fußboden bestimmt. Arthur pflegte
einen Bogen um ihn zu machen.
    Ginevra sang und bürstete ihr Haar. Ihre
leise Stimme paßte sich der Stille der Kerzen an, als plötzlich lautlos die Tür
aufging. Der Oberbefehlshaber warf seinen schwarzen Umhang auf den Schrein und
trat hinter die Königin. Sie erblickte ihn, ohne Überraschung, im Spiegel.
    »Darf ich das für Euch tun?«
    »Wenn Ihr mögt.«
    Er nahm die Bürste und strich über die
silbrig fallende Fülle mit erfahrenen Fingern, während die Königin ihre Augen
schloß.
    Nach einer Weile ergriff er das Wort.
    »Es ist wie… ich weiß nicht, was. Nicht
wie Seide. Es ist mehr wie strömendes Wasser, nur, daß es auch etwas
Wolkenhaftes an sich hat. Die Wolken sind ja aus Wasser, nicht wahr? Ist es ein
blasser Nebel, ein winterliches Meer, ein Wasserfall oder ein Heuschopf im
Rauhreif? Ja, ein Heuschopf, tief und weich und voller Duft.«
    »Ein Ärgernis ist’s«, sagte sie.
    »Das Meer«, sagte er feierlich, »in dem
ich geboren wurde.«
    Die Königin öffnete die Augen und fragte:
»Seid Ihr unbemerkt hergekommen?«
    »Niemand hat mich gesehn.«
    »Arthur hat gesagt, er wolle morgen
zurückkommen.«
    »So? Hier ist ein weißes Haar.«
    »Zupft es heraus.«
    »Armes Haar«, sagte er. »Es ist so fein.
Weshalb sind Eure Haare so schön, Jenny? Ich müßte fünf oder sechs von den Euren
zusammenflechten, damit sie so dick sind, wie eines von mir ist. Soll ich’s
auszupfen?«
    »Ja, zupft.«
    »Hat’s wehgetan?«
    »Nein.«
    »Weshalb nicht? Als ich klein war, hab’
ich meine Schwestern an den Haaren gezogen, und sie haben an meinen gezogen,
und das hat fürchterlich wehgetan. Büßen wir unsre Empfindungsfähigkeit ein,
indem wir älter werden, so daß wir weder Schmerz noch Freude richtig fühlen
können?«
    »Nein«, erklärte sie. »Es kommt daher, daß
Ihr nur ein einzelnes Haar ausgezogen habt. Wenn Ihr eine Strähne ausreißt,
tut’s weh. Seht her.«
    Er beugte seinen Kopf vor, so daß sie ihn
erreichen konnte. Mit weißem Arm nach hinten in die Höhe langend, wickelte sie
sich seine Stirnlocke um den Finger. Sie zupfte daran, bis er das Gesicht
verzog. »Doch, es tut noch weh. Welche Wohltat!«
    »Hat so Eure Schwester gezerrt?«
    »Ja, aber ich habe viel heftiger gezerrt.
Wenn ich in die Nähe einer meiner Schwestern kam, hielten sie ihre
Rattenschwänze mit beiden Händen fest und starrten mich an.« Sie lachte auf.
    »Ich bin froh, daß ich nicht eine Eurer
Schwestern war.«
    »Ach, Euch hätt’ ich ja nicht an den
Haaren gezogen. Dafür sind sie viel zu schön. Ich hätte was anderes mit ihnen
gemacht.«
    »Und was wäre das gewesen?«
    »Ich hätte… nun ja, ich hätte mich in
ihnen eingerollt wie eine Haselmaus und war’ drin eingeschlafen. Das möchte ich
jetzt gerne tun.«
    »Erst, wenn wir soweit

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