Der König auf Camelot
Idee, auch wenn sie
mitgemacht haben.«
»Wie Agravaine.«
»Ja. Agravaines Mutter stammte aus
Cornwall. Der Grund, weshalb Agravaine mich haßt, ist der, daß ich für die Idee
einstehe. Es klingt komisch, aber wir drei, die wir von den ändern als die
besten Ritter bezeichnet werden – ich meine Lamorak und Tristan und mich – ,
wir werden von den ›Alten‹ gehaßt. Sie waren entzückt, als Tristan ermordet
wurde, weil er die Idee kopierte; und natürlich war’s die Sippe Gawaine, die
Sir Lamorak getötet hat, hinterrücks.«
»Ich glaube«, sagte sie, »der Grund,
weshalb Agravaine Euch haßt, ist die alte Geschichte von den sauren Trauben. Die Idee
kümmert ihn überhaupt nicht, glaube ich, aber er ist natürlich neidisch auf
jeden, der besser kämpft als er. Gegen Tristan hat er etwas gehabt, weil er auf
dem Weg nach Joyous Gard Prügel von ihm bezog; und bei der Ermordung von
Lamorak war er behilflich, weil der Junge ihn bei den Ausscheidungskämpfen
geschlagen hat. Und wie oft habt Ihr ihn verärgert?«
»Ich weiß nicht.«
»Lanz, macht Euch doch klar, daß zwei
andere Menschen, die er gehaßt hat, tot sind!«
»Jedermann stirbt, früher oder später.«
Plötzlich hatte die Königin ihre Zöpfe aus
seinen Fingern gezogen. Sie hatte sich auf dem Stuhl umgedreht und starrte ihn
nun, einen ›Rattenschwanz‹ in der Hand, mit runden Augen an.
»Ich glaube, es stimmt, was Gareth gesagt
hat. Ich fürchte, sie wollen uns heute abend erwischen.«
Sie sprang vom Stuhl auf und schob
Lanzelot zur Tür.
»Geht! Geht, solange noch Zeit ist.«
»Jenny – «
»Nein. Keine Widerrede. Ich weiß, daß es
so ist. Ich spür’s. Hier ist Euer Umhang. Oh, Lanz, bitte, geht geschwind. Sir
Lamorak haben sie von hinten erdolcht.«
»Erregt Euch doch nicht wegen nichts und
wieder nichts, Jenny. Ihr seht Gespenster.«
»Ich sehe keine Gespenster. Hört! Hört!«
»Ich höre nichts.«
»Schaut auf die Tür.«
Der Griff, der den Drücker in Bewegung
setzte, war ein schmiedeeisernes Gebilde in Form eines Hufeisens, das sich
langsam nach links bewegte. Es bewegte sich zögernd – wie eine Krabbe.
»Was ist mit der Tür?«
»Seht doch: der Griff!«
Sie standen da und beobachteten gebannt,
wie das Stück Metall sich tastend, ruckweise bewegte: ein schlauer, scheuer
Erkundungsversuch.
»O Gott«, flüsterte sie. »Jetzt ist’s zu
spät!«
Der Griff fiel zurück in seine
Ausgangsstellung, und nun wurde laut und eisern an das Türholz geklopft. Es war
eine gute Tür mit einer doppelten Lage Holz; die eine Schicht war senkrecht,
die andere waagrecht angebracht. Von außen wurde mit einem Stulphandschuh
dagegen gepocht. Agravaines Stimme, widerhallend in der Höhlung seines Helms,
rief: »Öffnet die Tür, im Namen des Königs!«
»Es ist aus mit uns«, sagte sie.
»Verräter-Ritter«, schrie die wiehernde
Stimme, während das Holz unter dem Eisen erbebte. »Sir Lanzelot, es ist um Euch
geschehen!«
Viele Stimmen wurden hörbar. Viele
Rüstungen klirrten, jetzt, da keine Vorsicht mehr nötig war, auf der steinernen
Treppe. Die Tür prallte gegen den Sperrbalken.
»Ist irgend eine Rüstung in der Kammer«,
fragte Lanzelot, »daß ich meinen Leib damit decke?«
»Nein, wir haben nichts. Nicht einmal ein
Schwert.«
Da stand er, das Gesicht zur Tür
gerichtet, mit angestrengt-verlegener Geschäftsmiene und nagte an seinen
Fingerkuppen. Mehrere Fäuste hämmerten auf das Holz, und die Stimmen waren wie
eine Hundemeute.
»Ach, Lanzelot«, sagte sie. »Ihr habt
nichts zum Kämpfen, und Ihr seid fast nackt. Sie sind bewaffnet, und es sind
ihrer viele. Ihr werdet getötet, ich werde verbrannt, und unsere Liebe hat ein
bitteres Ende gefunden.«
Er war wütend, daß er keine Möglichkeit
sah, mit der Lage fertigzuwerden.
»Wenn ich nur meine Rüstung hätte«, sagte
er gereizt. »Es ist doch lächerlich, wie eine Ratte in der Falle gefangen zu
werden.«
Er blickte sich im Zimmer um, sich selbst
verfluchend, weil er seine Waffe vergessen hatte.
»Verräter-Ritter«, dröhnte die Stimme,
»kommt aus dem Gemach der Königin!«
Eine andere Stimme, musikalisch und
selbstbewußt, rief in gefälligem Ton: »Nur daß Ihr’s wißt: hier sind vierzehn
Gewappnete; und entfliehen könnt Ihr nicht.« Es war Mordred. Das Hämmern wurde
lauter.
»Verflucht soll’n sie sein«, sagte
Lanzelot. »Die machen zuviel Lärm. Ich werde gehen müssen, sonst wecken sie den
ganzen Palast auf.«
Er wandte sich zur Königin um und nahm
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