Der König auf Camelot
persönliche Belange zu schweigen.«
»Ich furcht’, ich kann meinen Belang nich’
vergessen.«
Der König wandte sich an die anderen.
»Gareth? Gaheris? Würdet Ihr mir den
Gefallen tun, Eure Rüstung anzulegen, um die Wache zu verstärken?«
»Onkel, bittet uns nicht darum.«
»Ich bitt’ Euch nicht gerne, Gareth.«
»Ich weiß. Doch, bitte, zwingt uns nicht.
Lanzelot ist mein Freund – wie also könnt’ ich gegen ihn kämpfen?«
Der König berührte seine Hand.
»Lanzelot hätte es von Euch erwartet, mein
Lieber. Gegen wen es auch sein mag. Auch er glaubt nämlich an Gerechtigkeit.«
»Onkel, ich kann nicht gegen ihn kämpfen.
Er hat mich zum Ritter geschlagen. Ich werd’ gehen, wenn Ihr’s wünscht, aber
ich geh’ ohne Rüstung. Ich fürchte, das ist ebenfalls Verrat.«
»Ich bin bereit, in voller Rüstung zu
gehen«, sagte Mordred, »auch wenn mein Arm gebrochen ist.«
Gawaine bemerkte sarkastisch: »Dir kann
auch nichts passieren, mein Kerlchen. Wir wissen ja, daß der König Lanzelot
gebeten hat, dir nichts anzutun.«
»Verräter!«
»Und Gaheris?« fragte der König.
»Ich geh’ mit Gareth – ungewappnet.«
»Nun wohl. Ich glaube, das war’s. Ich
hoffe nur, daß ich alles, was in meinen Kräften steht, versucht habe.«
Gawaine erhob sich von seiner Bank und
stapfte mit tapsiger Sympathie auf den König zu.
»Ihr habt mehr getan, als man überhaupt
erwarten könnt’«, sagte er herzlich, die geäderte Hand mit seiner Pranke
drückend. »Und jetzt müssen wir zusehn, daß es weitergeht. Laßt meine Brüder
gehn – unbewaffnet. Er wird ihnen nichts tun – wenn er ihr Gesicht sieht. Ich
möcht’ lieber bei Euch bleiben.«
»Also geht.«
»Soll ich dem Scharfrichter das Zeichen
geben?«
»Ja. Wenn’s denn sein muß, Mordred. Gib
ihm meinen Ring und hol die Vollmacht von Sir Bedivere ein.«
»Dank Euch, Vater. Danke. Es wird nicht
lange dauern.«
Das bleiche Gesicht, von Begeisterung
überflammt, für einen Moment von seltsam echter Dankbarkeit erfüllt, verließ
eilig den Raum. Mordred folgte seinen Brüdern, die sich der Wache beigesellen
sollten, mit blitzenden Augen und einem nervösen Zucken um den Mund. Der alte
König, der mit Gawaine zurückgeblieben war, ließ seinen Kopf in die Hände
sinken.
»Er hätt’s ein bißchen anständiger machen
können. Er hätte sein Vergnügen nicht gar so deutlich zu zeigen brauchen.«
Gawaine legte eine Hand auf die gebeugte
Schulter.
»Keine Bange, Onkel«, sagte er. »Es wird
sich schon weisen. Lanzelot wird sie retten, zur rechten Zeit. Und keiner wird
zu Schaden kommen.«
»Ich habe versucht, meine Pflicht zu tun.«
»Ihr habt’s wahrhaft bewunderungswürdig
getan.«
»Ich habe sie verurteilt, weil sie dem
Gesetze nach verurteilt werden mußte. Ich habe dafür gesorgt, daß dieses Urteil
vollstreckt wird.«
»Aber das wird nicht passieren. Lanzelot
wird sie schon in Sicherheit bringen.«
»Gawaine, Ihr dürft nicht denken, daß ich
versuche, sie retten zu lassen. Ich bin die Gerechtigkeit und der Richter von
England, und unsere Aufgabe ist es jetzt, sie zu verbrennen – ohne Gnade und
Barmherzigkeit.«
»Aye, Onkel. Und jedermann weiß, wie wacker Ihr Euch ums Recht
bemüht habt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß wir beide von Herzen
wünschen, sie möge davonkommen!«
»Ach, Gawaine«, sagte er. »Ich bin all die
Jahre mit ihr verheiratet gewesen.«
Der andere kehrte ihm den Rücken zu und
ging zum Fenster.
»Grämt Euch nicht. Das Ganze wird schon
ein gutes Ende nehmen.«
»Was ist gut?« rief der alte Mann und sah
ihm elend nach. »Was ist richtig, was ist falsch? Was ist Recht, und was
Unrecht? Wenn Lanzelot tatsächlich zu ihrer Rettung kommt, tötet er vielleicht
die unschuldigen Wachtposten,
denen ich aufgetragen habe, sie zu verbrennen. Sie vertrauen mir, und ich habe
sie dort postiert, um ihn fernzuhalten, weil das Gerechtigkeit ist. Wenn er sie
errettet, werden sie getötet. Wenn sie nicht getötet werden, wird sie
verbrannt. Lebendigen Leibes verbrannt, Gawaine, in entsetzlich brennenden
Flammen – sie, meine liebe, liebe Gin.«
»Denkt nich’ dran, Onkel. Dazu wird’s
nich’ kommen.«
Doch der König sank zusammen.
»Weshalb kommt er dann nicht sofort?
Weshalb wartet er so lang?«
Gawaine sagte sachlich: »Er muß warten,
bis sie im Freien ist, auf dem Hof, weil er sonst die Burg stürmen müßt’.«
»Ich habe sie gewarnt, Gawaine. Ein paar
Tage, ehe sie erwischt wurden, habe ich
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