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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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versucht, sie zu warnen. Aber es war
schwierig, alles klar auszusprechen, ohne jemanden zu verletzen. Und ich war
ebenfalls ein Narr. Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich hatte gehofft: wenn
ich’s mir nicht ganz bewußt werden ließe, würde am Ende doch alles gut ausgehen.
Meint Ihr, es war mein Fehler? Meint Ihr, ich hätte sie retten können, wenn ich
irgend etwas anders gemacht hätte?«
    »Ihr tatet, was Ihr konntet.«
    »Als ich ein junger Mann war, habe ich
etwas getan, was nicht recht war, und daraus ist das Elend meines Lebens
entstanden. Glaubt Ihr, daß man die Konsequenzen einer üblen Tat verhindern
kann, indem man hinterher Gutes tut? Ich nicht. Ich habe versucht, die Folgen
aufzuhalten durch gute Taten, all die Zeit her. Aber das Böse zieht immer
weitere Kreise. Es läßt sich nicht aufhalten. Meint Ihr, daß auch das von daher
kommt?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Wie entsetzlich, so warten zu müssen!«
rief er aus. »Für Gin muß es noch schlimmer sein. Warum kann man sie nicht
gleich bringen, damit’s ein Ende hat?«
    »Werden sie gleich tun.«
    »Und es ist nicht ihre Schuld. Ist’s
meine? Hätte ich mich weigern sollen, Mordreds Beweise anzuerkennen? Hätte ich
die ganze Affäre in der Versenkung verschwinden lassen sollen? Hätte ich sie
freisprechen müssen? Mein neues Gesetz hätte ich ignorieren können. Hätte ich
das tun sollen?«
    »Hättet Ihr tun können.«
    »Ich hätte tun können, wie mir beliebt.«
    »Aye.«
    »Was aber wäre dann aus der Gerechtigkeit
geworden? Was wäre die Konsequenz gewesen? Konsequenzen, Gerechtigkeit, böse
Taten, Kinder ertränkt. Ich hab’ sie die ganze Nacht um mich gesehen.«
    Gawaine sprach ruhig, mit veränderter
Stimme.
    »Ihr müßt die üblen Dinge vergessen. Ihr
müßt Eure Kräfte auf das Wichtige konzentrieren. Werdet Ihr das tun?«
    Der König packte die Armlehnen seines
Thronsessels.
    »Ja.«
    »Ich fürchte, Ihr müßt ans Fenster kommen.
Sie wollen sie grad rausbringen.«
    Der alte Mann machte keine Bewegung, doch
seine Finger umklammerten noch fester das Holz. Er blieb sitzen und starrte vor
sich hin. Dann, sein ganzes Gewicht auf die Handgelenke nehmend, drückte er
sich nach oben, stellte sich auf die Füße und ging, seine Pflicht zu tun. Wenn
er bei der Hinrichtung nicht zugegen wäre, würde sie ungesetzlich sein.
    »Sie ist in einem weißen Untergewand.«
    Stumm standen sie nebeneinander und sahen
zu, wie Menschen, denen Gefühle nicht erlaubt sind. Im schlimmsten Moment
überkam sie eine Benommenheit, die ihre Redeweise zur flauen Konversation
absacken ließ.
    »Aye.«
    »Was tun sie?«
    »Ich kann’s nicht sehn.«
    »Sie werden wohl beten.«
    »Aye. Da vorne ist der Bischof.«
    Sie schauten dem Beten zu.
    »Wie fremd sie aussehn.«
    »Ganz normal sind sie.«
    »Meint Ihr, ich könnte mich hinsetzen?«
fragte er wie ein Kind. »Ich habe mich ja gezeigt.«
    »Ihr müßt bleiben.«
    »Ich glaube nicht, daß ich’s kann.«
    »Ihr müßt.«
    »Aber, Gawaine – und wenn sie
heraufblickt?«
    »Wenn Ihr nicht bleibt, ist’s nicht nach
dem Gesetz.«
    Draußen, auf dem Marktplatz unter dem
Fenster, schienen sie einen Choral zu singen. Es war unmöglich, die Worte oder
die Melodie zu erkennen. Sie sahen die Geistlichen, die sich amtlich-eifrig um
die Anstandsformen des Todes mühten, sahen die reglos harrenden, blitzenden
Ritter und die Köpfe der gewöhnlichen Zuschauer, Körbe voller Kokosnüsse, rings
um den Hofraum. Es war nicht leicht, die Königin zu sehen. Wieder und wieder
ging sie im Strudel der Zeremonien unter; sie wurde in diese und jene Richtung
geführt, von Beamten oder Beichtigern umgeben; sie wurde dem Scharfrichter
vorgestellt; sie wurde bewogen, niederzuknien und zu beten; wurde ermahnt,
aufzustehen und etwas zu sagen; sie wurde besprengt, nachdem man ihr Kerzen zu
halten gegeben hatte; ihr wurde vergeben, und sie wurde aufgefordert,
ihrerseits zu vergeben; sie wurde mit Umständlichkeit und Würde aus dem Leben
befördert. Im finsteren Zeitalter haftete einem gesetzlichen Mord jedenfalls
nichts Schmieriges an.
    Der König fragte: »Könnt Ihr Rettung nahen
sehn?«
    »Nein.«
    »Es kommt mir reichlich lange vor.«
    Das Singen unter dem Fenster endete und
machte einer beängstigenden Stille Platz.
    »Wie lange noch?«
    »Paar Minuten.«
    »Wird man sie beten lassen?«
    »Aye, man wird sie lassen.«
    Der alte Mann fragte plötzlich: »Meint
Ihr, wir sollten beten?«
    »Wenn Ihr wollt.«
    »Sollen wir niederknien?«
    »Macht

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