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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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zum
Anwärmen, ein Lehnstuhl und das Lesepult. Auch gab’s ein Buch zum Lesen,
vielleicht den Galeotto, auf den Dante anspielt. Es hatte den Preis von neunzig
Ochsen gekostet, doch war es nicht mehr sehr spannend, da Ginevra es bereits siebenmal
gelesen hatte. Ein später, letzter Schnee warf das Abendlicht zurück, in die
Kammer herauf, mehr die Decke als den Boden erhellend, wodurch die gewohnte
Ordnung der Schatten verändert wurde. Sie waren blau – und lagerten an den
falschen Stellen. Die große Dame nähte. Sie saß, ziemlich formell, in dem hohen
Stuhle und hatte das Buch neben sich. Eine ihrer Kammerzofen, die auf den
Stufen des Bettes saß, nähte ebenfalls. Ginevra stichelte drauflos, wie eine
Nähfrau, nur mit halben Gedanken bei der Arbeit; die andere Hälfte ihres
Geistes erging sich ziellos im Labyrinth ihrer Kümmernisse. Sie wollte, sie
wäre nicht in Carlisle. Es lag zu weit im Norden – in Mordreds Land. Zu ferne
von den Sicherheiten der Zivilisation. Sie wäre, zum Beispiel, gerne in London
gewesen – vielleicht im Tower. Wie gerne hätte sie den Ausblick auf diese
Schneewüste mit einem Blick aus dem Tower vertauscht, mit der Sicht auf den
lustigen Trubel der Metropole, auf London Bridge und die schwankenden Häuser
darauf, die fortwährend in den Fluß fielen. Die Brücke lebte in ihrer
Erinnerung als ein Bauwerk von besonderem Charakter, wozu die Häuser gehörten
und die aufgespießten Rebellenhäupter und die Stätten, wo Sir David eine
Gala-Tjoste mit Lord Welles ausgetragen hatte. Die Keller der Häuser befanden
sich in den Pfeilern der Brücke, und sie hatte eine eigene Kapelle und zur
Verteidigung einen Turm. Es war eine regelrechte Spielzeugstadt, mit
Hausfrauen, die ihre Köpfe aus den Fenstern streckten oder Eimer an langen
Seilen in den Fluß hinabließen oder Spülwasser ausschütteten oder die Wäsche
hinaushängten oder ihren Kindern warnend zuriefen, daß die Zugbrücke gleich
gehievt werde.
    O ja, es wäre schon hübsch gewesen, jetzt
im Tower zu sein. Hier in Carlisle war alles totenstill. Dort aber, im Turm des
Eroberers, würde das ständige Kommen und Gehen der Cockneys die Winterkälte
beleben. Sogar Arthurs Menagerie, die er jetzt im Tower hielt, würde einen
angenehmen Hintergrund von Verläßlichkeit und Gestank bieten. Der letzte Zugang
war ein ausgewachsener Elefant, ein Geschenk des Königs von Frankreich. Matthew
Paris, der unermüdliche Bildreporter, hatte das Ungetüm eigens konterfeit, für
die Chronik. Als Ginevra beim Elefanten angelangt war, legte sie das Nähzeug
nieder und rieb sich die Finger. Sie waren taub. Sie tauten nicht mehr so
schnell auf wie früher.
    »Habt Ihr die Krumen für die Vögel
ausgelegt, Agnes?«
    »Ja, Madam. Das Rotkehlchen war heute
ziemlich keck. Es trällerte einfach drauflos, schmetterte aus vollem Halse
gegen eine von den Amseln, die besonders gefräßig war.«
    »Arme Tierchen. Aber in ein paar Wochen
werden sie alle wieder singen.«
    »Es kommt einem so lange vor, daß die
Leute alle fort sind«, sagte Agnes. »Bei Hofe ist’s jetzt wie bei den Vögeln –
so still, so herzlos.«
    »Sie kommen bestimmt zurück.«
    »Ja, Madam.«
    Die Königin nahm ihre Nadelarbeit wieder
auf und stach sorgsam durchs Gewebe.
    »Sir Lanzelot soll ungemein tapfer gewesen
sein, heißt es.«
    »Sir Lanzelot ist stets ein tapferer
Gentleman gewesen.«
    »Im letzten Brief heißt es, daß Gawaine
ein Duell mit ihm ausgefochten hat. Es muß furchtbar gewesen sein, gegen ihn zu
kämpfen.«
    Agnes sagte nachdrücklich: »Ich versteh’
nicht, wie der König damit einverstanden sein kann, daß Sir Gawaine gegen
seinen besten Freund kämpft. Jeder kann doch sehn, daß es blinde Wut ist. Und
dann ganz Frankreich zu verwüsten, nur, um Sir Lanzelot zu ärgern. Und all
diese furchtbaren Morde zu begehen und solche Sachen zu sagen, wie’s die
›Schläger‹ tun. Es kommt doch für keinen was dabei raus, wenn die’s so
weitertreiben. Weshalb können die bloß nicht vergessen, was vergangen ist,
möcht’ ich wissen.«
    »Ich glaube, der König hält zu Sir
Gawaine, weil er versucht, gerecht zu sein. Er glaubt, daß die Orkneys ein
Recht haben, für Gareths Tod Gerechtigkeit zu fordern – und ich glaub’s auch.
Außerdem – wenn der König sich nicht an Sir Gawaine hält, dann hat er niemanden mehr.
Auf die Tafelrunde war er stolzer als auf irgend etwas anderes. Und nun löst
sie sich auf, und er möchte jemanden behalten.«
    »Ist doch traurig«, sagte

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