Der König auf Camelot
Warze, genannt wurde, hatte er ihn vor Trübsal bewahrt,
indem er widerwärtig zu ihm gewesen war; doch er wußte, daß der arme alte
Bursche, der jetzt vor ihm saß, zuviel Elend erfahren hatte, als daß dieser
Trick noch wirken könnte. Das Zweitbeste war, so hatte er wohl entschieden, die
Aufmerksamkeit des Königs abzulenken; jedenfalls begann er damit, sobald die
Augen offen waren, auf eine Art, die alle Zauberer beherrschen. Sie sind es
gewohnt, den Leuten unter einem trügerischen Wortschwall alles Mögliche
vorzugaukeln.
»Also«, sagte er. »Träume. Wir müssen das ein für alle
Male klären. Ganz abgesehen von der schlimmen Schmach, als Traum bezeichnet zu
werden – einer persönlichen Schmach, weil es einen durcheinanderbringt –,
verwirrt es andere Leute. Denkt nur an unsere gebildeten Leser. Und es setzt
uns selbst herab. Als ich ein drittklassiger Schulmeister im zwanzigsten
Jahrhundert war – oder im neunzehnten? –, schrieb mir jeder Junge, mit dem ich
zu tun hatte, Aufsätze, die endeten: Dann erwachte er. Man könnte sagen, daß
der Traum die einzige literarische Konvention in ihren erbärmlichsten Klassenzimmern
war. Soll das aus uns werden? Vergeßt nicht, wir sind die Sache Britanniens.
Und, frage ich weiter, was ist mit der Traumdeuterei? Was werden die
Psychologen daraus ableiten? Der Stoff, aus dem die Träume sind, ist meiner
Meinung nach Quatsch und Unsinn.«
»Ja«, sagte der König nachgiebig.
»Sehe ich aus wie ein Traum?«
»Ja.« Merlin schien vor Zorn zu keuchen, dann
steckte er seinen ganzen Bart auf einmal in den Mund. Danach putzte er sich die
Nase und stellte sich mit dem Gesicht zur Zeltwand in die Ecke, wo er ein
indigniertes Selbstgespräch begann.
»Auch das noch zu aller Schmach und allem Hohn«,
stellte er fest. »Wie kann ein Magier beweisen, daß er keine Vision ist, wenn
er dieser Gemeinheit bezichtigt wird? Ein Geist kann beweisen, daß er lebt,
indem er sich kneifen läßt; aber bei einem gottgesandten Traum funktioniert das
nicht. Vom Kneifen kann man nämlich; so wahr es getrockneten Tiermist gibt,
träumen. Doch halt! Es gibt da den bekannten Ausweg, daß der Träumer sich
selbst ins Bein kneift. Arthur!« befahl er und drehte sich um wie ein Kreisel.
»Seid so nett und kneift Euch.«
»Gern.«
»Beweist Euch das, daß Ihr wach seid?«
»Ich bezweifle es.« Die Vision musterte ihn
traurig. »Das habe ich befürchtet«, sagte die Erscheinung und kehrte in ihre
Ecke zurück, wo sie komplizierte Texte von Burton, Jung, Hippocrates und Sir
Thomas Browne zitierte.
Nach fünf Minuten stieß sie die Faust in die andere
Hand und stapfte, inspiriert vom Lager der Cleopatra, wieder ins Kerzenlicht. »Hört
zu«, sagte Merlin. »Habt Ihr je von einem Geruch geträumt?«
»Von einem Geruch geträumt?«
»Wiederholt mich nicht.«
»Ich kann nicht recht…«
»Nun kommt schon. Ihr habt von einem Anblick
geträumt, nicht wahr? Und von einem Gefühl – jeder hat schon von einem Gefühl
geträumt. Vielleicht habt Ihr sogar von einem Geschmack geträumt. Ich erinnere
mich, daß ich einmal, als ich vierzehn Tage lang vergessen hatte zu essen, von
einem Schokoladenpudding träumte; ich konnte ihn deutlich schmecken, doch er
wurde mir weggenommen. Die Frage ist, habt Ihr je von einem Geruch geträumt?«
»Ich glaube nicht – riechen konnte ich nicht im
Traum.«
»Bestimmt nicht? Starrt mich nicht an wie ein
Idiot, mein guter Mann, sondern konzentriert Euch auf diese Sache. Habt Ihr je
mit Eurer Nase geträumt?«
»Nie. Ich kann mich nicht daran erinnern, von einem
Geruch geträumt zu haben.«
»Ihr seid Euch sicher?«
»Absolut.«
»Dann riecht
das!« rief der Zauberer, riß sich das Käppchen vom Kopf und hob es mit seinem
Inhalt von Mäusen, Fröschen und ein paar Krabben zum Lachsangeln, die er
übersehen hatte, Arthur unter die Nase. »Puuh!«
»Bin ich jetzt
ein Traum?«
»Es riecht nicht
wie ein Traum.«
»Nun, also…«
»Merlin«, sagte
der König, »es macht keinen Unterschied, ob Ihr ein Traum seid oder nicht, solange
Ihr nur da seid. Setzt Euch und habt ein wenig Geduld, wenn Ihr könnt.
Sagt mir den
Grund für Euren Besuch. Redet. Sagt, daß Ihr gekommen seid, um uns vor diesem
Krieg zu retten.« Der alte Knabe hatte das Ziel seiner künstlichen Beatmung so
weit wie möglich erreicht; also setzte er sich bequem nieder und nahm die Sache
in die Hand.
»Nein«, sagte
er. »Niemand kann vor irgend etwas gerettet werden, es denn, er rette
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