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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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sich
selbst. Es ist hoffnungslos, etwas für die Menschen zu tun – es ist sogar oft
sehr gefährlich, überhaupt etwas zu tun – und das Einzige, was sich für die
Spezies lohnt, ist die Vergrößerung ihres Vorrats an Ideen. Wenn man ihnen
einen größeren Vorrat zur Verfügung stellt, können sich die Menschen nach
Belieben daraus bedienen. So werden Methoden zur Verbesserung angeboten, die
man annehmen oder verwerfen kann, und es besteht eine schwache Hoffnung auf
Fortschritt im Lauf der Jahrtausende. Das ist die Aufgabe des Philosophen, neue
Ideen zu erschließen. Es ist nicht seine Aufgabe, sie den Leuten aufzudrängen.«
    »Das habt Ihr
mir bisher nicht gesagt.«
    »Warum nicht?«
    »Mein Leben lang
habt Ihr mich angetrieben, etwas zu tun… das Rittertum und die Tafelrunde, die
Ihr mich erfinden ließet, waren doch nichts anderes als Bemühungen, die
Menschen zu retten und Aufgaben zu erfüllen.«
    »Es waren Ideen«, sagte der Philosoph
nachdrücklich, »rudimentäre Ideen. Jeder Gedanke beginnt in seinem Frühstadium
als Aktion. Die Aktionen, mit denen Ihr Euch abgemüht habt, sind Ideen gewesen,
natürlich unfertige, aber sie mußten als Grundlage da sein, bevor wir anfangen
konnten, ernsthaft nachzudenken. Ihr habt den Menschen gelehrt, in der Aktion
zu denken. Jetzt ist die Zeit gekommen, in unseren Köpfen zu denken.«
    »Dann war meine Tafelrunde also kein Fehlschlag –
Meister?«
    »Gewiß nicht. Sie war ein Experiment. Ein
Experiment führt zum nächsten, und deshalb bin ich gekommen. Euch zu unserer
Höhle zu bringen.«
    »Ich bin bereit«, sagte er und staunte, daß er
glücklich war.
    »Das Komitee hat festgestellt, daß es in Eurer Ausbildung
zwei Lücken gibt, und es hat bestimmt, daß sie geschlossen werden müssen, bevor
das aktive Stadium der Idee beendet ist.«
    »Was ist das für ein Komitee? Es klingt, als hätten
sie einen Bericht vorgelegt.«
    »Das haben wir getan. Ihr werdet sie sofort in der
Höhle treffen. Aber jetzt, verzeiht, daß ich es erwähne, muß noch etwas geklärt
werden, bevor wir gehen.« Merlin musterte jetzt mit zweifelndem Blick seine
Zehen und zögerte, fortzufahren. »Das menschliche Gehirn«, erklärte er
schließlich, »scheint mit zunehmendem Alter zu verhärten. Die Oberfläche stirbt
ab wie strapaziertes Leder und nimmt keine Eindrücke mehr auf. Vielleicht habt
Ihr das bemerkt?«
    »Ich spüre eine gewisse Steifheit in meinem Kopf.«
    »Kinder hingegen haben elastische, weiche Hirne«, fuhr
der Zauberer genüßlich fort, als spreche er über Kaviarbrötchen. »Sie können im
Nu Eindrücke aufnehmen. Als junger Mensch eine Sprache zu lernen, ist zum Beispiel
buchstäblich ein Kinderspiel; doch nach der Lebensmitte steckt der Teufel
darin.«
    »Ich habe so etwas gehört.«
    »Das Komitee meinte deshalb, wenn Ihr die Dinge
lernen sollt, von denen wir reden, dann solltet Ihr – äh – dann solltet Ihr ein
Junge sein. Sie haben mir dafür ein besonderes Präparat mitgegeben. Ihr
versteht: Ihr würdet noch einmal der Wart von einst werden.«
    »Nicht, wenn ich mein Leben nochmal leben muß«,
entgegnete der andere alte Bursche ruhig.
    Sie schauten einander an wie Objekt und Abbild in
einem Spiegel, die äußeren Augenwinkel von den schweren Lidern des Alters
niedergedrückt. »Es wäre nur für den einen Abend.«
    »Das Lebenselixier?«
    »Eben das. Denkt an die Menschen, die sich bemüht
haben, es zu finden.«
    »Wenn ich so etwas finden sollte, würde ich es
wegwerfen.«
    »Ich hoffe. Ihr habt keine dummen Vorbehalte gegen
Kinder«, sagte Merlin und ließ seinen Blick umherschweifen. »Es ist ein hohes
Vorrecht, als Kleine wiedergeboren zu werden. Die Erwachsenen haben nach meiner
Feststellung in jüngster Zeit die unerfreuliche Gewohnheit angenommen, ihre
eigene Entartung damit zu entschuldigen, daß sie behaupten, Kinder seien
kindisch. Ich hoffe. Ihr seid davon frei?«
    »Jeder weiß, daß Kinder intelligenter sind als ihre
Eltern.«
    »Ihr und ich, wir wissen es, aber nicht die
Menschen, die dieses Buch lesen werden. Unsere Leser zu jener Zeit«, fuhr der
Zauberer grimmig fort, »haben genau drei Ideen in ihren prächtigen Schädeln.
Die erste besagt, daß die menschliche Spezies allen anderen überlegen ist. Die
zweite, daß das zwanzigste Jahrhundert allen anderen Jahrhunderten überlegen
ist, Und die dritte, daß die erwachsenen Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts
ihren Kindern überlegen sind. Die ganze Illusion trägt das Etikett Fortschritt,
und

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