Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
suchen, wobei er sehr
beschämt und besorgt aussah.
    Archimedes sagte; »Vielleicht geht es leichter ohne
Papiere, Meister, nur mit reden.«
    Merlin schaute ihn böse an. »Wir müssen es nur
erklären«, schlug T. natrix vor.
    Merlin warf ihr einen ebenso bösen Blick zu.
    »Letzten Endes müssen wir es doch so machen«, sagte
Balin, »in jedem Fall.«
    Merlin gab die bösen Blicke auf und fing an zu
schmollen.
    Cavall, der heimlich nähergekommen war, stahl sich
mit einem flehenden Gesichtsausdruck auf des Königs Schoß und ließ sich nicht
vertreiben. Ziege starrte mit ihren Juwelenaugen ins Feuer. Dachs setzte sich
schuldbewußt, und Igel, der korrekt mit gefalteten Händen fern von den anderen
in seiner Ecke saß, übernahm unerwartet die Führung.
    »Nu sach’s schon«, sagte er.
    Alle betrachteten ihn überrascht, aber er ließ sich
nicht einschüchtern. Er wußte, warum keiner neben ihm sitzen wollte, aber ein
Mann hat immerhin seine Rechte.
    »Nu sach’s schon«, wiederholte er.
    Der König sagte: »Ich wäre sehr froh, wenn ihr mir
etwas sagen würdet. Im Moment verstehe ich gar nichts, außer, daß ich hier
hergebracht wurde, um ein paar Lücken in dieser außerordentlichen Erziehung zu
füllen. Könntet ihr vom Anfang an erklären, worum es geht?«
    »Das Dumme ist«, sagte Archimedes, »daß sich so
schwer entscheiden läßt, was der Anfang ist.«
    »Dann erzählt mir von dem Komitee. Warum seid ihr
ein Komitee, und worüber beratet ihr?«
    »Man könnte sagen, wir sind das Komitee zur
Beratung der Macht im Menschen. Wir haben versucht, Euer Rätsel zu verstehen.«
    »Es ist eine Königliche Kommission«, erklärte der
Dachs stolz. »Man meinte, eine Auswahl von Tieren könnte in verschiedenen
Bereichen beraten…«
    Hier konnte Merlin sich nicht länger zurückhalten.
Selbst wenn er dafür das Schmollen aufgeben mußte, war es ihm unmöglich, sich
zu bremsen, wenn es ums Reden ging.
    »Gestattet«, sagte er. »Ich weiß genau, wo man
anfangen muß, und jetzt werde ich es tun. Ruhe, bitte.
    Mein lieber Wart«, fuhr er fort nachdem der Igel
Hört-hört gesagt hatte und dann noch Ruhe-Ruhe, »ich muß Euch zunächst bitten.
Eure Gedanken auf den Beginn meiner Erziehung zurückzulenken. Erinnert Ihr
Euch?«
    »Es begann mit Tieren.«
    »Richtig. Und seid Ihr je darauf gekommen, daß es
nicht zum Spaß so war?«
    »Nun, es war ein Spaß…«
    »Aber warum, fragen wir Euch, mit Tieren?«
    »Vielleicht sagt Ihr es mir.«
    Der Zauberer schlug die Beine übereinander,
verschränkte die Arme und runzelte die Stirn vor Wichtigkeit.
    »Es gibt zweihundertfünfzigtausend verschiedene
Spezies von Tieren in dieser Welt«, sagte er, »die lebenden Pflanzen nicht
mitgerechnet, und von diesen sind nicht weniger als zweitausendachthundertfünfzig
Säugetiere wie der Mensch. Sie haben alle irgendeine Form von Politik – als
mein alter Freund Aristoteles den Menschen als ein politisches Tier definierte,
machte er seinen einzigen Fehler, damals, als er vom zóon politikón sprach –,
und doch trottet der Mensch, dieses elende Nichts unter
zweihundertneunundvierzigtausendneunhundertneunundneunzig anderen, sabbernd in
seinem alten tragischen politischen Geleise, ohne je die Augen zu den
viertelmillion Exemplaren zu heben, die ihn umgeben. Und das wird noch
erstaunlicher, wenn man bedenkt, daß der Mensch ein Parvenu unter den anderen
ist, die fast alle ihre Probleme auf die eine oder andere Art viele tausend
Jahre vor seiner Erschaffung gelöst haben.«
    Ein Murmeln der Bewunderung kam vom Komitee, und
die Ringelnatter fügte freundlich hinzu: »Deshalb versuchte er, Euch eine
Vorstellung von der Natur zu geben, König, weil man hoffte, daß Ihr um Euch
schauen würdet, wenn Ihr mit dem Rätsel ringt.«
    »Die Politik aller Tiere«, sagte der Dachs, »befaßt
sich mit der Kontrolle der Macht.«
    »Aber ich verstehe nicht…« fing er an, ohne
ausreden zu können.
    »Natürlich versteht Ihr nicht«, sagte Merlin. »Ihr
wolltet sagen, daß Tiere keine Politik haben. Bedenkt meinen Rat und überlegt
Euch das nochmal.«
    »Haben sie denn eine?«
    »Natürlich haben
sie politische Systeme, und sogar sehr wirksame. Manche Tiere sind Kommunisten
oder Faschisten wie viele Ameisen; manche sind Anarchisten wie die Gänse. Es
gibt Sozialisten wie bei manchen Bienenarten, und selbst unter den dreitausend
Familien der Ameisen finden sich neben dem Faschismus auch andere ideologische
Schattierungen. Nicht alle sind Sklavenhalter oder

Weitere Kostenlose Bücher