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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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vorkommt.
Unter all jenen zweihundertfünfzigtausend Spezies sind nur etwa ein Dutzend,
die Kriege rühren. Wenn die Natur sich je die Mühe machen sollte, den Menschen
zu betrachten, diese kleine Scheußlichkeit, dann würde sie vor Schreck den
Verstand verlieren.
    Und endlich«, schloß der Magier in einem Singsang,
»ganz abgesehen von seiner Moral – ist das widerliche Wesen denn auch nur im
physischen Sinn wichtig? Würden die Veränderungen, die er auf der Erdoberfläche
bewirkt hat, die neutrale Natur zwingen, ihn mehr zu beachten als die grüne
Blattlaus oder das Korallentier?«
     
     
     
     
    KAPITEL 4
     
     
    Der König, leicht betäubt
von dieser schwungvollen Rede, sagte höflich: »Bestimmt würden sie das.
Bestimmt sind wir doch wichtig durch das, was wir getan haben?«
    »Inwiefern?« fragte sein Lehrmeister heftig.
    »Nun, ich muß doch sagen – betrachtet die Gebäude,
die wir auf der Erde errichtet haben, die Städte, die fruchtbaren Felder…«
    »Das große Wallriff«, bemerkte Archimedes und
schaute dabei zur Decke, »ist eine Konstruktion von tausend Meilen Länge, und
es wurde ausschließlich von Insekten gebaut.«
    »Aber das ist nur ein Riff…«
    Merlin schleuderte mit gewohnter Leidenschaft
seinen Hut auf den Boden. »Könnt Ihr nie lernen, sachlich zu denken?« fragte
er. »Das Korallentier könnte Euch mit dem gleichen Recht antworten, daß London
nur eine Stadt sei.«
    »Und dennoch, wenn man alle Städte der Welt
aneinanderlegen würde…«
     Archimedes sagte: »Wenn Ihr anfangt, alle Städte
der Welt aufzuzählen, werde ich alle Koralleninseln und Atolle aufführen. Dann
werden wir sie sorgsam gegeneinander abwägen, und dann werden wir sehen, was
wir sehen werden.«
    »Gut, vielleicht sind Korallentiere wichtiger als
Menschen, aber das ist nur eine Spezies…«
    Ziege sagte listig: »Das Komitee hatte irgendwo
eine Notiz über den Biber, glaube ich, in der es hieß, daß er ganze Meere und
Kontinente gemacht habe…«
    »Von den Vögeln«, fing Balin mit übertriebener
Gleichgültigkeit an, »heißt es, daß sie durch die Baumsamen in ihren
Exkrementen so große Wälder angelegt haben…«
    »Un’ die Kaninchen«, unterbrach der Wicht, »die wo
beinah’ Australien entbevölkert habn…«
    »Die Foraminiferen, aus deren Leichen die ›weißen
Klippen von Dover‹ eigentlich bestehen…«
    »Die Wanderheuschrecken…«
    Merlin hob die Hand.
    »Berichtet ihm vom gemeinen Regenwurm«, sagte er
majestätisch. Und die Tiere sagten im Chor auf: »Der Naturforscher Darwin hat
darauf hingewiesen, daß es auf jedem Morgen Land etwa 25.000 Regenwürmer gibt,
daß sie allein in England jährlich 320.000.000 Tonnen Erde bewegen und daß sie
in fast jeder Region der Welt vorkommen. In dreißig Jahren werden sie die
gesamte Erdoberfläche bis zu einer Tiefe von 17,78 cm verändert haben. ›0hne
Würmer‹ sagt der unsterbliche Gilbert White, ›wäre die Erde bald kalt,
verhärtet, ohne Gärung und folglich steril.‹ «
     
     
     
     
     
     
     
    KAPITEL 5
     
     
    »Mir scheint«, sagte der
König glücklich, denn diese übergeordneten Angelegenheiten schienen ihn weit
von Mordred und Lanzelot zu entfernen, von dem Ort, wo, wie es in König Lear heißt, die Menschheit auf sich selber Jagd macht wie Ungeheuer der Tiefe, in
die friedliche Welt, wo die Leute dachten und redeten und einander liebten ohne
das Elend des Tuns, »mir scheint, wenn ihr recht habt, könnte es meinen
Mitmenschen nicht schaden, einen Dämpfer aufgesetzt zu bekommen. Wenn man ihnen
beibringen könnte, sich selbst zur Abwechslung als eine weitere Spezies der
Säugetiere zu betrachten, würde sich diese Neuheit vielleicht stärkend auf sie
auswirken. Erzählt mir, denn sicher habt ihr darüber beraten, zu welchen
Folgerungen das Komitee im Hinblick auf das menschliche Tier gekommen ist.«
    »Wir hauen Schwierigkeiten wegen des Namens.«
    »Welchen Namens?«
    » Homo sapiens «, erklärte die Ringelnatter.
»Offensichtlich war sapiens als Adjektiv ungeeignet, doch die
Schwierigkeit bestand darin, ein anderes zu finden.«
    Archimedes sagte: »Erinnert Ihr Euch, wie Merlin
Euch einst erklärt hat, warum der Buchfink coelebs genannt wird? Ein
gutes Adjektiv für eine Spezies muß so auf eine ihrer Besonderheiten
hinweisen.«
    »Der erste Vorschlag«, sagte Merlin, »war natürlich ferox , da der Mensch das grausamste aller Tiere ist.«
    »Seltsam, daß Ihr ferox erwähnt. Gerade an
dieses Wort habe ich vor einer Stunde

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