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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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einigen Minuten kein Wort von dem verstehen, was Ihr sagt?«
    Merlin hielt abrupt inne und schaute seinen Schüler
an, der dem Gespräch vor allem mit den Augen gefolgt war und von einem Gesicht
zum anderen geblickt hatte.
    »Es tut mir leid.«
    Der König sprach gedankenverloren, fast als rede er
mit sich selbst.
    »Bin ich dumm gewesen?« fragte er langsam, »dumm,
weil ich nicht auf die Tiere geachtet habe?«
    »Dumm!« rief der Magier und war wieder ganz
obenauf, denn er war höchst entzückt über seinen Einfall mit dem Kapital. »Hier
ist endlich ein Krümel Wahrheit auf menschlichen Lippen! Nunc dimittis! «. *
    Und unverzüglich sprang er auf sein Steckenpferd
und galoppierte in alle Richtungen davon.
    »Die Dreistigkeit der menschlichen Rasse«, rief er,
»haut einen um. Beginnt mit dem undenkbaren Universum; konzentriert Euch auf
die winzige Sonne darin; geht weiter zu dem Satelliten der Sonne, den wir die
Erde zu nennen belieben; werft einen Blick auf die Myriaden von Algen oder wie
man die Dinger im Meer nennt, und auf die unendlich vielen Mikroben, die uns
bevölkern. Überseht nicht die Viertelmillion anderer Spezies, die ich erwähnt
habe, und die unnennbaren Zeiträume, die sie durchlebten. Dann betrachtet den
Menschen, einen Emporkömmling, dessen Augen kaum weiter offen sind als die
eines jungen Hundes, um es vom Standpunkt der Natur auszudrücken. Da ist er,
der – die Vogelscheuche – « Er wurde so aufgeregt, daß er sich keine passenden
Bezeichnungen mehr ausdenken konnte. »Da ist er, tituliert sich Homo sapiens,
fürwahr, ernennt sich zum Herrn der Schöpfung wie dieser Dummkopf Napoleon, der
sich selbst die Krone aufsetzte! Da ist er, herablassend gegenüber den anderen
Tieren, sogar herablassend, Gott sei meiner Seele und meinem Körper gnädig,
gegenüber seinen Vorfahren! Das ist die Große Viktorianische Hybris, die
erstaunliche, unsägliche Anmaßung des neunzehnten Jahrhunderts.
    Schaut Euch diese historischen Romane von Scott an,
in denen die Menschen selbst, weil sie vor zweihundert Jahren lebten, reden
müssen wie nachgemachte Bettwärmer! Der Mensch, der stolze Mensch, steht im zwanzigsten
Jahrhundert da und glaubt selbstgefällig, die Rasse habe sich im Laufe von
elenden tausend Jahren entwickelt, während er gerade dabei ist, seine Brüder in
Stücke zu zerfetzen. Wann werden sie lernen, daß es eine Million Jahre dauert,
bis ein Vogel eine einzige Schwungfeder verändert hat? Da sieht er, der
blindwütige Tolpatsch, und tut, als sei alles anders geworden, weil er einen
Verbrennungsmotor gebastelt hat. Da steht er, seit Darwin, weil er gehört hat,
daß es so etwas wie eine Evolution gibt. Ungeachtet der Tatsache, daß die
Evolution in Millionen-Jahren-Zyklen geschieht, glaubt er, er habe sich seit
dem Mittelalter entwickelt. Vielleicht hat sich der Verbrennungsmotor
entwickelt, aber nicht er. Schaut ihn an, wie er sich über seine eigenen Ahnen
lustig macht, ganz zu schweigen von anderen Säugetierarten, in diesem
unerträglichen Buch Ein Yankee aus Connecticut an König Artus’ Hof. Das
ist vielleicht eine fiese, finstere Frechheit! Und Gott nach seinem Bild zu
schaffen! Glaubt mir, die sogenannten Primitiven, die Tiere als Götter verehrten,
waren nicht so einfältig, wie die Leute uns glauben machen wollen. Zumindest
waren sie demütig. Warum sollte Gott nicht als Regenwurm auf die Erde gekommen
sein? Es gibt sehr viel mehr Würmer als Menschen, und sie tun sehr viel mehr
Gutes. Denn worum geht es letzten Endes? Wo ist diese prächtige Überlegenheit,
die das zwanzigste Jahrhundert dem Mittelalter überlegen macht und das
Mittelalter den Primitiven und den Tieren des Feldes überlegen macht? Gelingt
es dem Menschen so besonders gut, seine Macht und seine Grausamkeit und seinen
Besitz zu beherrschen? Was tut er denn? Er massakriert die Angehörigen seiner
eigenen Spezies wie ein Kannibale! Wißt Ihr, daß man ausgerechnet hat, daß
zwischen 11oo und 1900 die Engländer vierhundertneunzehn Jahre Krieg gefühlt
haben und die Franzosen dreihundertdreiundsiebzig? Kennt Ihr die Statistik von
Lapouge, nach der in jedem Jahrhundert neunzehn Millionen Menschen in Europa
getötet werden und das vergossene Blut einen Springbrunnen versorgen könnte,
der seit Beginn der Geschichte siebenhundert Liter Blut in der Stunde
versprüht? Und laßt mich Euch noch etwas sagen, lieber Herr. Der Krieg ist in
der Natur – vom Menschen abgesehen – eine solche Rarität, daß er kaum

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